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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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nutzte HeLa weiterhin für die HIV-Forschung, und Rifkins Horrorfilmszenario bewahrheitete sich nicht.
    Mittlerweile jedoch hatten zwei Wissenschaftler über HeLa eine Theorie entwickelt, die sich weit mehr nach Science-Fiction anhörte als alles, was Rifkin vorgebracht hatte: HeLa, so erklärten sie, sei keine menschliche Zelllinie mehr.
    Wenn Zellen in Gewebekulturen wachsen, verändern sie sich genauso wie im menschlichen Körper auch. Sie kommen mit chemischen Substanzen, Sonnenlicht und verschiedenen Umweltfaktoren in Kontakt, die alle Veränderungen in der DNA herbeiführen können. Diese Veränderungen geben sie dann mit der Zellteilung an jede neue Zellgeneration weiter, ein Zufallsprozess, bei dem es zu weiteren Veränderungen kommt. Wie Menschen, so machen auch Zellen eine Evolution durch.
    Das alles geschah mit Henriettas Zellen, nachdem man sie in die Gewebekultur überführt hatte. Und sie gaben die Veränderungen an ihre Tochterzellen weiter. Auf diese Weise entstanden neue Familien von HeLa-Zellen, die sich untereinander ebenso unterschieden wie Cousins oder Cousinen zweiten, dritten und vierten Grades, die ebenfalls einen gemeinsamen Vorfahren haben.
    Anfang der Neunzigerjahre waren aus der kleinen Gewebeprobe von Henriettas Gebärmutterhals, die Mary in Geys Labor in die Zellkultur überführt hatte, viele Tonnen anderer Zellen geworden. Sie trugen nach wie vor alle den Namen HeLa, waren aber untereinander und auch im Vergleich zu Henrietta ein wenig anders. Deshalb schrieb der Evolutionsbiologe
Leigh Van Valen von der University of Chicago: »Wir vertreten hier in aller Ernsthaftigkeit die Ansicht, dass sie [die HeLa-Zellen] zu einer eigenen Spezies geworden sind.«
    Jahre später erklärte Van Valen seine Idee so: »Die Evolution der HeLa-Zellen verläuft getrennt von der der Menschen, und eine getrennte Evolution ist genau das, worum es bei biologischen Arten geht.« Da der Artname Hela bereits an eine Krabbe vergeben war, schlugen die Wissenschaftler vor, die neue HeLa-Zellspezies als Helacyton gartleri zu bezeichnen, eine Kombination aus HeLa und cyton , dem griechischen Wort für »Zelle«; gartleri sollte an Stanley Gartler erinnern, der 25 Jahre zuvor die »HeLa-Bombe« gezündet hatte.
    Niemand widersprach diesem Gedanken, aber es zog auch niemand Konsequenzen daraus. Henriettas Zellen wurden weiterhin als menschliche Zellen klassifiziert. Selbst heute jedoch vertreten manche Wissenschaftler noch die Ansicht, es entspreche nicht den Tatsachen, wenn man behauptet, HeLa-Zellen seien mit Henrietta verwandt: Denn ihre DNA sei genetisch nicht mehr mit der von Henrietta identisch.
    Robert Stevenson, einer der Wissenschaftler, die einen großen Teil ihrer Laufbahn darauf verwendeten, das Durcheinander mit den HeLa-Verunreinigungen aufzuklären, kann über diese Argumentation nur lachen. »Das ist einfach lächerlich«, sagte er zu mir. »Wissenschaftler haben in der Regel nicht die Vorstellung, dass es sich bei den HeLa-Zellen um kleine Stückchen von Henrietta handelt. Wissenschaft wird viel einfacher, wenn man das Material von den Menschen, denen es entstammt, trennt. Aber wenn man heute eine Gewebeprobe aus Henriettas Körper entnehmen und einen DNA-Fingerabdruck davon anfertigen könnte, würde ihre DNA mit der in den HeLa-Zellen übereinstimmen.«

    Ungefähr zur gleichen Zeit, als Van Valen die These aufstellte, HeLa seien keine menschlichen Zellen mehr, beschäftigten sich andere Wissenschaftler mit der Frage, ob in Henriettas Zellen der Schlüssel zur Verlängerung menschlichen Lebens oder vielleicht sogar zur Unsterblichkeit liegen könnte. Und wieder einmal hieß es in den Schlagzeilen, Wissenschaftler hätten den Quell ewiger Jugend entdeckt.
    Anfang des 20. Jahrhunderts hatten Carrels Hühnerherzzellen angeblich bewiesen, dass jeder Zelle das Potenzial für Unsterblichkeit innewohnt. Normale menschliche Zellen können sich aber – im Gegensatz zu Krebszellen – weder in der Zellkultur noch im menschlichen Körper unbegrenzt reproduzieren. Sie machen eine bestimmte Zahl von Zellteilungen durch, dann stellen sie das Wachstum ein und sterben allmählich ab. Die Zahl dieser möglichen Zellteilungen ist bekannt und wird nach Leonard Hayflick, der 1961 in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung nachgewiesen hatte, dass normale Zellen nach ungefähr 50 Verdoppelungen an dieser Grenze angekommen sind, als Hayflick-Limit bezeichnet.
    Nachdem andere Wissenschaftler Hayflicks Erkenntnisse

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