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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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Der Weg, diesen Zugang zu ermöglichen, führt aber seiner Auffassung nach nicht über die Strategie, die Patienten im Unklaren zu lassen: »Wenn jemand wie Ted das Geld wirklich zum Überleben braucht, wäre es falsch, wenn man sagt, Wissenschaftler dürfen die Antikörper kommerziell nutzen, er aber nicht. Warum sollte er denn kein Wörtchen mitreden dürfen, wenn jemand anders mit seinen Antikörpern Geld verdient?«
    Der gleichen Ansicht sind auch viele andere Wissenschaftler, mit denen ich über das Thema gesprochen habe. »Dies ist eine kapitalistische Gesellschaft«, sagt Wayne Grody. »Das haben Leute wie Ted Slavin ausgenutzt. Wissen Sie, ich sehe das so: Wer glaubt, dass er das Sagen hat, hat auch mehr Macht.«
    Das Problem dabei: Die Leute können nicht »glauben, dass sie das Sagen haben«, wenn sie nicht wissen, dass ihr Gewebe für die Wissenschaft möglicherweise wertvoll ist. Der Unterschied zwischen Ted Slavin, John Moore und Henrietta Lacks bestand darin, dass jemand Slavin gesagt hatte, sein Gewebe sei etwas Besonderes und die Wissenschaftler es für ihre Forschungsarbeiten verwenden wollten. Auf diese Weise konnte er das Heft in die Hand nehmen und seine Bedingungen formulieren, bevor irgendetwas aus seinem Körper entnommen wurde. Mit anderen Worten: Er war aufgeklärt und erteilte seine Einwilligung. Am Ende geht es um die Frage, in welchem Umfang die Wissenschaft (moralisch oder juristisch) verpflichtet ist, Menschen
in die gleiche Lage zu versetzen wie Slavin. Und damit sind wir wieder bei der komplizierten Frage des Einverständnisses.
    Genau wie kein Gesetz eine Aufklärung und Einverständniserklärung verlangt, wenn Gewebe für Forschungszwecke gelagert werden soll, so gibt es auch keine klare Vorschrift, wonach die Spender in Kenntnis gesetzt werden müssten, wenn ihr Gewebe in finanzielle Gewinne umgemünzt wird. Ein Wissenschaftler der NIH gab 2006 Tausende von Gewebeproben an den Pharmakonzern Pfizer weiter und erhielt dafür eine halbe Million Dollar. Er wurde verklagt – aber nicht, weil er seine finanziellen Interessen oder den Wert des Gewebes gegenüber den Spendern nicht offengelegt hatte, sondern weil er ein Bundesgesetz zur Vermeidung von Interessenkonflikten verletzt hatte: Wissenschaftler, die aus Bundesmitteln bezahlt werden, dürfen von Pharmaunternehmen kein Geld annehmen. Der Fall führte zu einer Untersuchung im Kongress und später zu einer Anhörung; die Interessen der Patienten und ihre mangelnde Information über den Wert ihrer Gewebeproben wurden jedoch während des ganzen Prozesses mit keinem Wort erwähnt.
    Im Fall John Moore erklärte zwar der Richter, die Patienten müssten über das kommerzielle Potenzial ihres Gewebes aufgeklärt werden, diese Vorschrift wurde aber nicht in Gesetzesform gegossen, sondern ergibt sich nur aus dem Präzedenzfall. Die Entscheidung, solche Informationen offenzulegen, bleibt heute den jeweiligen Einrichtungen überlassen, und viele sagen ihren Patienten nichts. In manchen Einverständnisformularen wird Geld überhaupt nicht erwähnt; in anderen heißt es ganz offen: »Wir dürfen die Proben und bestimmte medizinische Informationen über Sie weitergeben oder verkaufen.« Andere besagen ganz einfach: »Sie erhalten für die Gewebespende keine Vergütung.« Wieder andere stiften Verwirrung: »Ihre Probe
geht in das Eigentum [der Universität] über … Es ist nicht bekannt, ob Sie aus nützlichen Anwendungen, die sich aus diesen Forschungsarbeiten ergeben, einen finanziellen Ausgleich (Zahlung) erhalten (oder daran beteiligt werden).«
    Nach Ansicht der Aktivisten, die sich für die Rechte der Gewebespender einsetzen, müssen alle potenziellen finanziellen Gewinne, die mit dem Gewebe von Patienten erzielt werden können, offengelegt werden. »Es geht nicht darum, den Patienten einen Teil der finanziellen Gewinne zu sichern«, sagt Lori Andrews, »aber die Leute sollen ihre Wünsche zum Ausdruck bringen können.« Clayton ist der gleichen Ansicht, fügt aber hinzu: »Grundsätzlich ist hier nicht Geld das Problem; es geht vielmehr um die Vorstellung, dass die Menschen, von denen das Gewebe stammt, unwichtig sind.«
    Nach dem Fall Moore stellte sich durch Kongressanhörungen und Berichte heraus, dass mit der Forschung an menschlichem Gewebe viele Millionen Dollar Gewinn gemacht wurden. Der Kongress setzte daraufhin einen Ausschuss ein, der die Lage beurteilen und Empfehlungen für das weitere Vorgehen abgeben sollte. Sein Ergebnis: Die

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