Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
Vom Netzwerk:
Zentrale: »Ich rufe wegen meiner Krebsbefunde an.« Aber in der Telefonzentrale wusste niemand, wovon sie redete oder mit wem man sie verbinden konnte.
    Wenig später schrieb Hsu einen Brief an Lawrence und erkundigte sich, ob sie eine Krankenschwester nach Hagerstown schicken könne, damit diese Zakariyya im Gefängnis Blut abnahm. Sie fügte eine Kopie des anerkennenden Artikels von McKusick und Jones über George Gey bei und schrieb dazu, Lawrence wolle doch sicher einmal einen Artikel über die Zellen seiner Mutter sehen. Keiner in der Familie kann sich daran erinnern, den Artikel gelesen zu haben – heute vermuten sie, Lawrence habe ihn einfach in eine Schublade gesteckt und vergessen.

    Die Männer aus der Familie Lacks dachten nicht großartig über die Zellen ihrer Mutter oder die Krebstests nach. Lawrence arbeitete den ganzen Tag bei der Eisenbahn und wohnte in einem Haus voller Kinder, Zakariyya war immer noch im Gefängnis, und für Sonny, der jetzt eifrig Drogen verkaufte, waren harte Zeiten angebrochen.
    Deborah dagegen wurde ihre Sorgen nicht los. Sie fürchtete, sie könne Krebs haben, und quälte sich mit dem Gedanken, dass Wissenschaftler ihrer Mutter schreckliche Dinge angetan hatten – und vielleicht immer noch antaten. Sie hatte die Geschichten gehört, wonach das Hopkins Farbige für wissenschaftliche Untersuchungen entführte, und in der Zeitschrift Jet hatte sie einen Artikel über die Tuskegee-Studie gelesen; darin wurde die Vermutung geäußert, die Ärzte hätten den Männern sogar Syphiliserreger gespritzt, um sie anschließend zu untersuchen. »Dass Versuchspersonen ohne ihr Wissen mit Krankheitserregern infiziert wurden, ist in der medizinischen Wissenschaft Amerikas auch früher schon vorgekommen«, erklärte der Artikel. »Das Gleiche tat vor acht Jahren auch Dr. Chester Southam in New York, ein Krebsspezialist, der älteren, chronisch kranken Patienten lebende Krebszellen spritzte.«
    Nun fragte sich Deborah, ob McKusick und Hsu die Lacks-Kinder vielleicht in Wirklichkeit nicht auf Krebs untersuchten, sondern ihnen das gleiche schlechte Blut spritzten, an dem ihre Mutter gestorben war. Plötzlich stellte sie Day viele Fragen nach Henrietta: Wie war sie krank geworden? Was war geschehen, als sie gestorben war? Was hatten die Ärzte mit ihr gemacht? Die Antworten schienen ihre Befürchtungen zu bestätigen: Wie Day ihr erzählte, hatte Henrietta überhaupt nicht krank gewirkt. Er habe sie ins Hopkins gebracht, dort hätten sie mit der Therapie begonnen, dann sei ihr Bauch kohlrabenschwarz geworden, und schließlich sei sie gestorben. Das Gleiche
erzählten ihr auch Sadie und die Cousinen. Als sie aber wissen wollte, was für eine Art von Krebs ihre Mutter gehabt hatte, was für eine Therapie die Ärzte angewandt hatten und welcher Teil von ihr noch am Leben war, konnte ihr die Familie keine Antwort geben.
    Als nun eine von McKusicks Assistentinnen bei Deborah anrief und fragte, ob sie ins Hopkins kommen und sich noch einmal Blut abnehmen lassen würde, fuhr sie hin. Wenn ihre Angehörigen ihr die Frage nach ihrer Mutter nicht beantworten konnten, so ihr Gedanke, waren die Wissenschaftler vielleicht dazu in der Lage. Sie wusste nicht, dass das Blut für einen Wissenschaftler in Kalifornien bestimmt war, der die Proben für seine eigene HeLa-Forschung brauchte, und sie wusste auch nicht, warum McKusicks Assistentin ausgerechnet bei ihr anrief und nicht bei ihren Brüdern – sie glaubte, es liege daran, dass Jungen von der Krankheit ihrer Mutter nicht betroffen waren. Und sie glaubte immer noch, sie würde auf Krebs untersucht.
     
    Am 26. Juni 1974 begab sich Deborah in McKusicks Büro, um sich noch einmal Blut abnehmen zu lassen. Vier Tage später trat das neue Bundesgesetz in Kraft, das für alle staatlich geförderten Forschungsarbeiten die Genehmigung der Ethikkommissionen und das Einverständnis nach Aufklärung vorschrieb. Dieses neue Gesetz, das einen Monat zuvor im Federal Register veröffentlicht worden war, galt für alle »gefährdeten Personen«, das heißt für »alle Personen, die infolge ihrer Teilnahme an solchen Versuchen der Möglichkeit einer Verletzung einschließlich körperlicher, psychischer oder sozialer Verletzungen ausgesetzt sein könnten«. Was aber »Verletzung« und »gefährdet« bedeutete, wurde hitzig diskutiert. Zahlreiche Wissenschaftler hatten vom Gesundheitsministerium gefordert, man solle die Blut- und Gewebeentnahme von der neuen
Vorschrift

Weitere Kostenlose Bücher