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Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)

Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)

Titel: Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Akers
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Zeit damit verbracht, hin- und herzulaufen, vom Fenster zur Tür, von der Tür zum Fenster, vom Fenster zur Ecke, von der Ecke zur Tür. Tatsächlich war das der einzige Unterschied in den einzelnen Räumen. Die Verschleißmuster auf dem Boden erwiesen sich als unterschiedlich komplex. Dagegen roch es in allen Zimmern ganz angenehm. Nach frischer Erde und Ernte. Es erinnerte mich an die Sommer meiner Jugend auf dem Land. Damals, als wir noch einen Landsitz hatten und es für mich noch Sommer gab. Wilson stand in jedem Raum an der Tür, schnüffelte konzentriert und betrachtete den Boden. Hinein ging er nie. Nach dem dritten Zimmer hatte ich es satt, nur hinter ihm zu stehen, und drängte mich an ihm vorbei in den Raum. Er runzelte zwar die Stirn, ließ mich aber gewähren.
    »Also hat er hier jemanden festgehalten?«
    »Vielleicht. Nur scheinen die Sicherheitsvorkehrungen nicht besonders gut gewesen zu sein.«
    »Du empfindest ein Vorhängeschloss nicht als gute Sicherheitsvorkehrung?«
    Er zuckte mit den komplizierten Schultern. »Die Fenster könnte man ziemlich einfach öffnen. Die Nägel sind winzig, und die Bretter liegen nicht bündig an.« Mit verkniffener Miene betrat er den Raum und ging zum Fenster. Mit zwei Fingern löste er ein Brett und spähte hinaus ins Licht. »Wirklich ganz einfach.«
    »Denk an das Spielzeug. Vielleicht hatte er Kinder hier drin. Die wären dafür nicht stark genug gewesen.«
    »Netter Gedanke«, meinte Wilson seufzend. »Die Fußspuren sprechen aber dagegen. Diese Male wurden von großen Füßen hinterlassen. Von schweren Füßen.«
    »Mag sein. Aber wenn die Bretter vor dem Fenster nichts taugen, wozu dann das Schloss an der Tür?«
    »Vielleicht war es nicht dafür gedacht, jemanden hier drin festzuhalten. Vielleicht sollte es dafür sorgen, dass niemand herein konnte.«
    »Du glaubst, Cranich hatte eine Menge neugieriger Besucher?«, fragte ich.
    »Findest du ihn nicht merkwürdig, Jacob?« Wilson ließ das Brett los und verließ rasch den Raum. »Jedenfalls denke ich, du hast recht. Ich denke, es ist an der Zeit, uns auf den Weg zu machen. Dieser Ort bereitet mir ein merkwürdiges Unbehagen. Lass uns fertig werden.«
    Der letzte der Räume mit Schlössern bot keine neuen Erkenntnisse. Ohne große Hoffnungen drehten wir den Knauf des zweiten Zimmers ohne Schloss und warfen die Tür auf. Noch bevor sie vollständig aufgeschwungen war, schlug mir der Gestank entgegen. Ein Metzgereigeruch: rohes Fleisch und Blut.
    In der Mitte des Zimmers lag eine Leiche, Arme und Beine gespreizt, die Brust blutig.
    Wilson preschte mit gezücktem Stahl hinein. Seine Spinnenarme zuckten über den Boden und die Wände. Ich hatte den neuen Revolver in der Faust. Er lag gut in der Hand, wie ich ohne bewusstes Zutun bemerkte. Der Albtraum war vergessen.
    »Niemand hier«, sagte Wilson. »Komm.«
    Natürlich erkannte Wilson ihn nicht. Er hatte Grau nur das eine Mal auf den Docks gesehen. Und so, wie Grau Anderson im Moment aussah, hätte sich seine eigene Mutter von ihm abgewandt.
    Seine Augen waren vor Angst und Schrecken weit aufgerissen. Der Rest des Körpers hingegen wirkte trotz des Blutes völlig entspannt. Jemand hatte ihm Garnknäuel in den Mund gesteckt. Er trug die Gewänder eines Erschaffers, schlichtes Braun und Schwarz. Ich hatte immer gewusst, dass Grau behauptete, ein Erschaffer zu sein, dem es gelungen war, dem Algorithmus zu entkommen, aber ich hatte ihn mir nie so vorgestellt. Ich fragte mich, wie er sich dabei gefühlt hätte, so angezogen aufgefunden zu werden. Und ich fragte mich, warum sich jemand die Zeit genommen hatte, ihn so herzurichten, um ihn zu töten.
    Es gab nur eine einzige Verletzung, eine unglaublich große Stichwunde mitten in der Brust. Die Waffe, die sie verursacht hatte, war noch da. Von der Tür aus sah sie wie ein mit Glas verstopftes Kupferrohr aus. Rings um die Wunde prangte ein klebriger Ring aus Blut, geronnen und schwarz. Grausig.
    Wilson schenkte dem Leichnam keinerlei Beachtung. Verständlich, denn der Rest des Raums sah aus wie die unausgegorene Fantasie eines besoffenen, irren Wissenschaftlers. Messingrohre säumten die Wände, stapelten sich verschieden tief und in ansteigender Höhe übereinander. Teile der Decke waren entfernt worden, um die größeren Elemente unterzubringen. Ein Gewirr von Schläuchen umgab jedes Rohr und führte zum nächsten oder diente als Zuleitung vom vorherigen. Jedes Rohr war oben offen und in einem Winkel abgeschnitten, der

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