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Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)

Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)

Titel: Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Akers
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sich auf die Füße, doch Wilson fegte die Beine unter ihr weg, erst eines, dann das andere. Sie vollführte einen merkwürdigen, hopsenden Tanz und fand mit einem Fuß das Gleichgewicht wieder, während Wilson den anderen wegstieß; drei-, viermal hintereinander ging es so. Es hätte lustig ausgesehen, wäre da nicht Wilsons Gesichtsausdruck gewesen, der von Frustration und Angst zeugte. Schließlich gab er den Versuch auf, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, und konzentrierte seine Aufmerksamkeit darauf, sie mit Hilfe seiner vielen Arme zu verletzen. Insgesamt waren es acht Arme, sechs mit spitzen Klauen, zwei so hart wie Stein. Durch eine Eigenheit des Knochenbaus der Anansi waren sie superdicht. Obwohl Wilson wie ein großer, dürrer Bücherwurm aussah, war er unglaublich stark. Und diese Stärke kam zum Vorschein, als er mit den sechs Armen zustieß, die über seine Schultern hingen. Jeder zuckte vor, wurde allerdings von der effizienten Verteidigung der jungen Frau abgewehrt. Sie rührte sich keinen Zentimeter mehr als notwendig, lenkte jeden Angriff mit gepanzerten Unterarmen oder den Handkanten ab. Jede Klaue, die an ihr vorbeisauste, schnellte zurück und stieß erneut zu, wurde abermals abgewehrt und peitschte wieder zurück. Der Anblick war schwindelerregend.
    Die Eisenfrau bewegte sich rückwärts, zurückgedrängt von Wilsons ungestümem Angriff. Der Rauch in der Luft wurde zunehmend dichter. Etwas brannte, und dabei handelte es sich nicht bloß um Fetzen von Laken und Funken von schleifenden Getriebewellen. Ich rollte mich mühsam auf die Beine, ließ die zerlegten Überreste meines gestohlenen Revolvers zurück und versuchte, etwas zu finden, womit ich sinnvoll in das verwirrende Handgemenge eingreifen konnte, das sich vor mir abspielte. Die Mühe hätte ich mir sparen können. Ich hörte einen Aufschrei. Als ich aufschaute, sah ich, wie Wilson eine seiner Klauen mit blutiger Spitze zurückzog. Seine Augen funkelten hungrig und triumphierend. Der Ärmel der Eisenfrau war aufgerissen, die dunkle, sonnengebräunte Haut darunter klaffte offen. Wilson stimmte ein Geheul an und setzte seinen Angriff noch wilder fort.
    In den nächsten paar Atemzügen landeten mehrere weitere Hiebe Treffer. Die Eisenfrau wurde müde, stieß die Angriffe weiter von sich als unbedingt nötig. Kaum zu glauben, dass man die nahezu mechanische Präzision ihrer Handlungen mit diesem Wort beschreiben konnte, aber sie wurde schlampig , was Wilson ausnützte.
    Es waren die Ordnungshüter, die sie retteten und uns beinah den Garaus machten. Die beiden Kämpfenden veranstalteten mittlerweile genug Lärm, um selbst die Aufmerksamkeit der unaufmerksamsten Beamten auf sich zu ziehen; und die Burschen, die in Sturmpanzerung auf uns zukamen, wirkten alles andere als unaufmerksam. Sie ignorierten mich und bildeten eine Feuerlinie auf der anderen Seite der Montagestrecke. Das Kampfgeschehen konnten sie bestenfalls bruchstückhaft sehen, doch offenbar reichte das, um sie davon zu überzeugen, dass es sich um eine jener Situationen handelte, in denen man zuerst schoss und dann Fragen stellte. Sie schossen.
    Den Kessel habe ich ja bereits erwähnt. Er war groß und aus Eisen. Und unglaublich alt. Aus so viel Eisen, dass die beiden ersten Kugeln nicht mehr bewirkten, als Rost abbröckeln zu lassen und die Oberfläche einzudellen. So alt, dass die dritte, die vierte und die zehnte Kugel in ihn eindrangen. Dorthin, wo das Feuer war. Das Feuer drang heraus. Rasant.
    Sowohl Wilson als auch die Eisenfrau drehten den Kopf, als die ersten Schüsse den Kessel durchschlugen. So etwas bezeichnet man als Situationsbewusstsein. Ich sah den besorgten Blick der beiden, und ich habe genug Zeit mit Wilson verbracht, um zu wissen, dass seine Sorgen auch meine Sorgen sind. Als die zwei sich bekriegenden Akrobaten aus dem Weg sprangen und sich zu Boden warfen, tat ich dasselbe. Das Feuer schoss in einem Schwall zorniger Hitze über mich hinweg. Den Rest der Fabrik behandelte es übel, einschließlich jener Ordnungshüter in ihren Sturmpanzerungen.
    Ich nahm das alles nur als Lärm wahr. Schreie, kreischendes Metall, das tosende Gebrüll verbrauchter Luft und auflodernden Feuers. Aggregate lösten sich aus ihren Verankerungen und polterten verspielt über den Boden. Weiteres Geschrei. Wilson zog mich hoch, schüttelte mich. Als ich die Augen aufschlug, wirkte er beunruhigt. Er sagte etwas, aber angesichts des Lärms in der Fabrik konnte ich ihn nicht verstehen.

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