Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)
konterte sie.
»Du bist von einem Balkon gefallen . Ich war nur zufällig dort. So oder so, anscheinend habe ich dabei besser abgeschnitten.«
Sie zog die Augenbrauen hoch, was von einem symphonieartigen Zucken der Spinnen begleitet wurde, die ihren Rücken zierten. »Ich schätze, damit hast du recht. Wenngleich ich denke, wir sollten auf die Endabrechnung warten, bevor wir die Ergebnisse endgültig vergleichen. Sind wir also damit fertig, höflich zu sein?«
»Um ehrlich sein, Angela, habe ich mir damit nie große Mühe gegeben.«
»Nein. Hast du wohl nicht.« Sie zog ein Paar langer Seidenhandschuhe aus und schlang sie über ihren Arm. Ihre Hände waren außergewöhnlich dünn und wurden von schmalen Schienen aus einem glänzenden schwarzen Material zusammengehalten, das schimmerte, wenn sie die Finger beugte. »Ich würde sagen, das haben wir beide nicht getan.«
Sie wirkte müde. Es fiel mir schwer, in dieser Gerätschaft das Mädchen zu sehen, das ich früher gekannt hatte, das Mädchen, mit dem ich aufgewachsen war, mit dem ich Bälle besucht und auf Sommerresidenzen gewesen war. Dennoch steckte sie immer noch da drin, verhüllt von Messung und einer hässlichen Geschichte. Ein Großteil unseres gesellschaftlichen Kreises war auseinandergedriftet, als wir erwachsen wurden. Wir beide bildeten da keine Ausnahme.
»Was willst du, Angela?«, fragte ich leise. Sie musterte mich mit ihren erschöpften Augen, dann riss sie sich zusammen, zog die Handschuhe wieder an und straffte den Rücken.
»Du tauchst immer wieder an interessanten Orten auf, Jacob. Ich gebe zu, nach unseren letzten Schwierigkeiten war ich erfreut darüber, dass der Rat in der Lage war, dich dumm dastehen zu lassen. Du bist in die Stadt verschwunden, und ich hatte gehofft, nie wieder etwas von dir zu hören.« Sie löste den Blick von mir und schien den Mann mit dem Klemmbrett zum ersten Mal zu bemerken. Als sie mich wieder ansah, konnte ich in ihrem Gesicht auf einmal keine Spur mehr von dem kleinen Mädchen erkennen. »Eine Zeit lang dachte ich sogar, du hättest die Stadt womöglich verlassen.«
»Ich habe mit dem Gedanken gespielt. Aber was hätte ich unterhalb der Wasserfälle schon tun können? Ich bin kein Bauer.«
»Nein. Auch kein großer Grenzgänger, was?« Sie betrachtete mich mit schief gelegtem Kopf. »Für dich wird es immer die Stadt sein. Trotzdem hegte ich Hoffnungen. Wie auch immer. Dann bist du wieder aufgetaucht, zusammen mit diesem Insekt.«
»Wilson. Sein Name ist Wilson.«
»Mir ist egal, wie er heißt, Jacob.« Nun war sie wieder ganz Angela Tomb, der Albtraum. »Du und dein Freund fingen an, in bestimmten Berichten aufzutauchen, die ich erhalte. Und dann hast du einen neuen Freund gefunden.« Sie breitete die Hände aus. »Und jetzt sind wir hier.«
»Ezekiel Cranich«, sagte ich und nickte. »Obwohl ich ihn nicht als Freund bezeichnen würde.«
»Ist das sein Name? Er ist nämlich jemand, dessen Name mich durchaus interessiert.«
»Ein großer dünner Kerl mit Brille?« Ich deutete mit den Händen seine Größe an. »Und ich meine wirklich groß.«
»Wir sind uns nie begegnet. Für mich ist er eher eine Präsenz in den Daten als eine Person. Vor etwa sechs Monaten wurde klar, dass irgendjemand in der Stadt Hebel in Bewegung setzt. Seither suche ich nach ihm.«
»Tja, dann hast du ihn wohl verpasst. Das Haus, in dem wir vor dem Brand in der Fabrik waren – heute Morgen war er noch dort.« Ich dachte an die vor Käfern wuselnde Leiche und an jene Stimme. »Oder zumindest ein Teil von ihm.«
»Haus?« Wieder legte sie den Kopf schief.
»Ich nehme an, das warst du mit den Ordnungshütern. Unten im Nettingweg an der Bar, wo uns die Eisenfrau gefunden hat. Du weißt doch alles über die Hetzjagd und wie uns die Ordnungshüter in der Fabrik gestellt haben, oder? Dass sie niedergebrannt und ich festgenommen wurde.« Ich breitete die Hände zu einer sorgfältigen Nachahmung ihrer Geste aus. »Und jetzt sind wir hier.«
Einige Herzschläge lang folgte gar nichts. Ihr Gesicht und ihre Körpersprache blieben völlig neutral. Schließlich bot sie mir ihren Arm dar, als wären wir auf einem Ball.
»Du sagst die faszinierendsten Dinge, Jacob Burn. Wir müssen das näher besprechen, du und ich.«
Ich ergriff ihren Arm mit einer Verneigung. Auf halbem Weg zur Tür räusperte sich der Klemmbrettmann. Was mich überraschte.
»Da ist noch die Sache mit den Vorwürfen gegen seine Lordschaft, Ma’am. Wir haben hier eine
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