Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)
weggespült, die Steine durch Unkraut und Erosion hoch gedrückt worden, bis es einer Herausforderung gleichkam, sie zu überqueren. Irgendwann musste das repariert werden.
Ich betätigte den Türklopfer und wartete. Wartete eine lange Weile, bis sich endlich die Tür öffnete und quietschend gegen die unerwartete Bewegung protestierte. Williamson, der Langzeitdiener unserer Familie, stand mit der Hand an der Klinke da und starrte mich an.
»Bil … Williamson«, sagte ich, als mir einfiel, wie sehr er es hasste, Billy genannt zu werden. »Lange her, seit ich dich zuletzt gesehen habe. Was führt dich hierher?«
»Was führt mich … ha!« Er lachte, was nicht zu seinen üblichen Gepflogenheiten gehörte. »Was mich hierher führt. Hervorragend, Master Jacob. Hervorragend!« Er schlurfte auf die Veranda heraus und schlang einen Arm um meine Schulter. »Kommen Sie rein, kommen Sie rein. Nur herein!«
In seiner Stimme schwang Hysterie mit, und in seiner Hast, die Tür wieder zu verriegeln, hätte er sie Wilson beinah vor der Nase zugeworfen. Kaum befanden wir uns alle im Haus, sperrte er mehrere Schlösser ab und lehnte sich mit dem Rücken an die Tür. Seine Heiterkeit war verflogen.
»Ich hoffe, es geht um etwas verdammt Wichtiges, Jacob Burn«, sagte er. Auf seinem kahl werdenden Schädel zeichnete sich der Schimmer frischer Schweißperlen ab. »Der alte Mann wird annehmen, dass Sie hier sind, um ihn zu töten.«
»Ihn zu töten? Das ist jetzt ein Scherz, oder? Ich meine, nicht, dass ich ihn nicht töten würde, wenn es gerechtfertigt wäre. Nur glaube ich nicht, dass dies der Zeitpunkt dafür ist.«
»Darüber sollten Sie keine Witze reißen.« Mühsam stieß sich Billy von der Tür ab und ging zu einem Bogen, der einst eine Garderobe gewesen war. Er ließ ein tückisch aussehendes Messer aus seinem Ärmel gleiten und steckte es in eine Scheide, die unmittelbar hinter dem Bogen hing. Die Fingerfertigkeit der Bewegung brachte Billy einen anerkennenden Blick von Wilson ein, mich jedoch machte sie nervös. Als ich Billy zuletzt gesehen hatte, war er ebenso wenig dazu in der Lage gewesen, ein Kampfmesser ordentlich zu halten, wie er fliegen konnte. »Holen wir uns alle etwas zu trinken, und dann können wir überlegen, was wir Ihrem Vater über diesen kleinen Besuch sagen.«
»Was wir ihm sagen? Du sagst ihm einfach, dass ich sehen will, wie es ihm geht.«
»Komisch. Zwei Jahre lang kein Sterbenswort von Ihnen, und dann kreuzen Sie mitten in all dem auf«, meinte Billy. »Das wird ihn amüsieren.«
»Billy, was um alles in der Welt ist hier los? Wo ist mein Vater?«
»Oben. Wohin Sie nicht gehen werden, bevor Sie nicht etwas mehr wissen. Aber erst etwas zu trinken.« Er ging an uns vorbei, wobei er Wilson lediglich mit einem flüchtigen Nicken bedachte. Abgesehen davon ignorierte er ihn vollkommen. Bei der letzten Begegnung mit dem Anansi hatte Billy sich noch beinah in die Hose gemacht. »Sie trinken doch noch, Jacob, oder?«
»Mir muss erst noch jemand einen überzeugenden Grund nennen, warum ich damit aufhören sollte«, antwortete ich.
»Ich vermute, heute werden sich eher einige Gründe dafür finden weiterzumachen«, murmelte er, bevor er den Flur hinab verschwand. Wilson setzte eines seiner fröhlicheren Lächeln auf, dann verneigte er sich und bedeutete mir vorauszugehen. Zum ersten Mal seit geraumer Zeit freute ich mich nicht auf einen Drink.
Eines der Prunkstücke des Herrenhauses der Burns war die Bar. Dieser Raum stach aus den frühen Erinnerungen meiner Kindheit hervor, ein dunkles Zimmer mit viel Leder und gebeiztem Holz, in das sich mein Vater und seine Freunde vor den Frauen und Kindern zurückzuziehen pflegten, um wichtige Angelegenheiten zu besprechen. Ich schlich oft den Gang hinab, um zu lauschen, wie sie tranken, lachten und scherzten. Die meisten dieser wichtigen Angelegenheiten schienen sich um Frauen zu drehen, die nicht meine Mutter waren, doch gelegentlich erfuhr ich auch ernste Neuigkeiten, beispielsweise von einem Mord oder einer politischen Strategie, die nicht aufgegangen war. Ich schätze diese frühen Erinnerungen, weil sie die letzte Gelegenheit darstellen, bei der ich die Rolle meines Vaters in der Gesellschaft voll Ehrfurcht betrachtet habe.
Ebenfalls in diesem Zimmer hatte mein Vater mir mitgeteilt, dass ich in die Akademie aufgenommen worden war. Hier hatte er mir offenbart, dass er persönlich die Operation für mein Pilotenaggregat arrangiert hätte, und später
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