Die Unvollendete: Roman (German Edition)
keine Ahnung, was sie machten, aber am Ende des Tages kehrte er stets von Kopf bis Fuß verdreckt und mit einer unappetitlichen Trophäe zurück, einem Glas mit Fröschen oder Würmern, einem toten Vogel, dem gebleichten Schädel eines kleinen Tiers.
Die Sonne stieg schon eine Zeitlang steil am Himmel empor, als sie endlich aufbrachen, in ihren Bewegungen behindert von dem Baby, von Picknickkörben, Sonnenhüten und Sonnenschirmen. Bosun trottete neben ihnen her wie ein kleines Pony. »Himmel, wir sind beladen wie Flüchtlinge«, sagte Sylvie. »Wie die Juden, die aus Israel ziehen.«
»Wie die Juden?«, sagte Bridget und verzog angewidert das unscheinbare Gesicht.
Teddy verschlief den Treck in seinem improvisierten Tragetuch, während sie über Zaunübertritte stiegen und in Furchen stolperten, die die Sonne hart gebacken hatte. Bridget zerriss sich das Kleid an einem Nagel und behauptete, sie hätte Blasen an den Füßen. Sylvie überlegte, ob sie ihr Korsett ausziehen und es neben dem Weg liegen lassen sollte, stellte sich die Verwirrung dessen vor, der es finden würde. Unvermittelt und bei helllichtem Tag auf einer von Kühen bestandenen Wiese erinnerte sie sich, wie Hugh während ihrer Flitterwochen in ihrem Hotel in Deauville ihr Korsett aufgeschnürt hatte und dabei durch das offene Fenster Geräusche hereindrangen – Möwen, die im Flug kreischten, und ein Mann und eine Frau, die in lautem, rasantem Französisch stritten. Auf dem Schiff von Cherbourg nach Hause trug Sylvie bereits den winzigen Homunkulus in sich, der Maurice werden sollte, obwohl sie sich dessen damals zum Glück überhaupt nicht bewusst war.
»Ma’am?«, sagte Bridget und unterbrach ihre Träumerei. »Mrs. Todd? Das sind keine Kühe. «
Sie blieben stehen, um George Glovers Ackergäule zu bewundern, riesige Shires namens Samson und Nelson, die schnaubten und den Kopf schüttelten, als sie die Gesellschaft erblickten. Ursula machten sie nervös, aber Sylvie gab jedem einen Apfel zum Fressen, und sie nahmen ihn mit ihren dicken rosa Samtlippen vorsichtig von ihrer Handfläche. Sylvie sagte, es wären Apfelschimmel und viel schöner als Menschen, und Pamela fragte: »Sogar schöner als Kinder?«, und Sylvie sagte: »Ja, erst recht schöner als Kinder«, und lachte.
Sie suchten George, der bei der Ernte half. Als er sie bemerkte, kam er über das Feld, um sie zu begrüßen. »Ma’am«, sagte er zu Sylvie, nahm die Kappe vom Kopf und wischte sich mit einem großen rotweiß getüpfelten Taschentuch den Schweiß von der Stirn. An seinen Armen klebten winzige Stückchen Spreu. Wie die Spreu waren auch die Haare auf seinen Armen von der Sonne golden. »Es ist heiß«, sagte er überflüssigerweise. Unter der langen Locke, die immer in seine hübschen blauen Augen hing, schaute er zu Sylvie. Sylvie schien zu erröten.
Abgesehen von ihrem eigenen Mittagessen – Sandwiches mit Räucherhering, Sandwiches mit Zitronenaufstrich, Ingwerlimonade und Gewürzküchen – hatten sie auch die Reste der Schweinefleischpastete vom Vortag und ein kleines Glas mit Mrs. Glovers berühmtem Senfgemüse für George dabei. Der Gewürzkuchen war bereits trocken, weil Bridget vergessen hatte, ihn in die Kuchenschachtel zurückzustellen, und er die ganze Nacht in der warmen Küche gestanden hatte. »Würde mich nicht überraschen, wenn die Ameisen Eier in den Kuchen gelegt hätten«, hatte Mrs. Glover gesagt. Als sie ihn aßen, pickte Ursula jedes Korn heraus, und es waren Unmengen, und inspizierte es, um sich zu vergewissern, dass es kein Ameisenei war.
Die Feldarbeiter legten eine Pause ein, um Mittag zu essen, überwiegend Brot und Käse und Bier. Bridget wurde rot und kicherte, als sie George die Schweinefleischpastete reichte. Pamela erzählte Ursula, Maurice habe gesagt, Bridget sei in George verknallt, allerdings hielten beide Maurice für eine unzuverlässige Informationsquelle, was Herzensangelegenheiten betraf. Sie picknickten am Rand des gemähten Felds, George lag lässig da und biss riesengroße Stücke von der Pastete ab, Bridget sah ihm bewundernd dabei zu, als wäre er ein griechischer Gott, und Sylvie beschäftigte sich mit dem Baby.
Sylvie machte sich auf die Suche nach einem diskreten Ort, um Teddy zu stillen. Mädchen, die in schönen Häusern in Mayfair aufgewachsen waren, duckten sich im Allgemeinen nicht hinter Hecken, um Kinder zu säugen. Was zweifellos irische Bäuerinnen taten. Sie dachte wehmütig an die Strandhütte in
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