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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Matratze gekrochen und in einen Schlaf gesunken, der dem Tod ähnlich war. Ein paar Stunden später waren sie gleichzeitig erwacht und hatten sich geliebt. Auf eine Weise, wie es Überlebende einer Katastrophe tun mussten (es war Lust, um ehrlich zu sein) – oder Menschen, die eine Katastrophe vorausahnten –, hemmunglos, bisweilen wild und doch merkwürdig zärtlich und liebevoll. Es hatte etwas Melancholisches. Wie Herrn Zimmermanns Bach-Sonate beunruhigte es ihre Seele, trennte Körper und Geist. Sie versuchte sich an eine andere Zeile von Marvell zu erinnern, eine Zeile aus »Ein Dialog zwischen Seele und Leib« vielleicht, etwas über das Zucken der Knochen und Fesseln und Schellen, aber sie fiel ihr nicht ein. Es schien nicht zu der Weichheit der Haut und des Fleisches in diesem (in jeder Beziehung) aufgegebenen Bett zu passen.
    »Ich habe gerade an Donne gedacht«, sagte sie. »Du weißt schon – Geschäftiger alter Narr, lästige Sonne. « Nein, er kannte es vermutlich nicht.
    »Ja?«, sagte er gleichgültig. Schlimmer als gleichgültig.
    Plötzlich fielen ihr die grauen Geister im Keller ein und das Baby, auf dem sie gekniet hatte. Und dann war sie einen Augenblick lang woanders, nicht in dem Keller in der Argyll Road, auch nicht in Izzies Schlafzimmer in Holland Park, sondern in einer seltsamen Vorhölle. Und fiel und fiel –
    »Zigarette?«, sagte Fred Smith. Er entzündete an der Kippe der ersten eine weitere Zigarette und reichte sie ihr. Sie nahm sie und sagte: »Ich rauche nicht wirklich.«
    »Ich sammle nicht wirklich fremde Frauen auf und ficke sie in schicken Häusern.«
    »Du klingst nach D. H. Lawrence. Und ich bin keine Fremde, wir kennen uns seit unserer Kindheit, mehr oder weniger.«
    »Aber nicht so.«
    »Das hoffe ich.« Er wurde ihr bereits unsympathisch. »Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist«, sagte sie. »Aber ich kann dir zum Frühstück einen sehr guten Wein anbieten. Mehr gibt es leider nicht.«
    Er blickte auf seine Armbanduhr und sagte: »Das Frühstück haben wir verpasst. Es ist drei Uhr nachmittags.«
    Der Hund drängte sich durch die Tür, seine Pfoten klackten auf dem nackten Holzboden. Er sprang aufs Bett und starrte Ursula an. »Armes Ding«, sagte sie, »er muss am Verhungern sein.«

    »Fred Smith? Wie war’s? Erzähl.«
    »Enttäuschend.«
    »Wie? Im Bett?«
    »Nein, dort überhaupt nicht. Ich habe noch nie … einfach so, du weißt schon. Ich habe geglaubt, dass es romantisch wäre. Nein, das ist das falsche Wort, ein blödes Wort. ›Gefühlvoll‹ vielleicht.«
    »Transzendent?«, fragte Millie.
    »Ja, genau. Ich habe nach Transzendenz gesucht.«
    »Ich glaube, es ist eher umgekehrt, sie findet dich. Das ist ein bisschen viel verlangt von dem armen alten Fred.«
    »Ich hatte eine Vorstellung von ihm«, sagte Ursula, »aber der hat er nicht entsprochen. Vielleicht wollte ich mich verlieben.«
    »Und stattdessen hattest du prima Sex. Du Arme!«
    »Du hast recht, es war nicht fair, so etwas zu erwarten. O Gott, ich glaube, ich war ein schrecklicher Snob. Ich habe Donne zitiert. Hältst du mich für snobistisch?«
    »Schrecklich snobistisch. Du stinkst«, sagte Millie fröhlich. »Nach Zigaretten, Sex, Bomben. Weiß Gott, wonach noch. Soll ich dir ein Bad einlassen?«
    »Ja, bitte, das wäre großartig.«
    »Und wenn du schon dabei bist«, sagte Millie, »dann nimm diesen räudigen Hund mit in die Wanne. Er stinkt zum Himmel. Aber er ist süüß«, sagte sie und imitierte (ziemlich schlecht) einen amerikanischen Akzent.
    Ursula seufzte und streckte sich. »Weißt du, ich habe wirklich genug von diesen Bomben.«
    »Der Krieg wird so schnell nicht vorbei sein, fürchte ich«, sagte Millie.

Mai 1941
    M illie hatte recht. Der Krieg ging weiter. Bis in den grausam kalten Winter, und dann erfolgte am Ende des Jahres der schreckliche Angriff auf London. Ralph hatte dabei geholfen, St. Paul’s vor dem Feuer zu bewahren. Alle diese schönen Kirchen von Wren, dachte Ursula. Sie waren nach dem letzten Großen Feuer erbaut worden, jetzt gab es sie nicht mehr.
    Den Rest der Zeit taten sie, was Leute wie sie taten. Sie gingen ins Kino, sie gingen tanzen, sie gingen zu den Mittagskonzerten in die National Gallery. Sie aßen und tranken und liebten sich. Sie »fickten« nicht. Das war ganz und gar nicht Ralphs Stil. »Du klingst nach D. H. Lawrence«, hatte sie kühl zu Fred Smith gesagt – sie vermutete, dass er keine Ahnung hatte, wovon sie sprach –, doch das

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