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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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ich gewonnen, Carmine?«
    »Ja, das hast du. Man muß rebellieren. Hätte Vincenzo rebelliert, wirklich, meine ich, hätte ich diese Modica nie ins Haus gelassen. Zu meiner Zeit habe ich gegen den Willen meines Vaters gehandelt, als es um eine Frau ging. Und da ich in diesem Punkt standhaft blieb und ihm immer wertvolle Dienste geleistet habe – für vier habe ich gearbeitet und geschossen –, mußte er nachgeben. Mein Vater war ein großer Mann! Man spürte immer, wenn er sich näherte. Und wenn er aus der Tür ging, blieb er unter uns noch lange gegenwärtig.«
    »Auch du bist so.«
    »Das müssen die anderen spüren und sagen, ich weiß das nicht.«
    »Ich habe es dir gesagt.«
    »Wenn du das sagst, glaub ich’s.«
    »Spiel nicht das Lamm, Carmine, sonst steigt mir das Blut in den Kopf und der Zorn packt mich erneut. Jetzt, wo du mir soviel Lust geschenkt hast, will ich dich nicht hassen.«
    »Und so hast du dich eines Kindes entledigt, Modesta? Ich frage nicht, von wem der Samen war.«
    »Ja.«
    »Ohne Schmerzen? Wie ist das möglich?«
    »Die Zeiten ändern sich, Carmine, die Wissenschaft entdeckt vieles. Und das zugunsten der Frauen. Mit Hilfe der Ärzte und der Wissenschaft wird sich die Frau bald von vielen Zwängen befreien, die die Natur und die Herren ihr auferlegt haben.«
    »Sind das die Worte dieses Arztes, Carlo? Redet der so?«
    »Ja.«
    »Und deshalb nimmst du dieses schwer auszusprechende Wort in den Mund?«
    »Welches Wort?«
    »Liebe.«
    »Ja.«
    »Hat er dir viel beigebracht?«
    »Ja, sehr viel, auch Schwimmen.«
    »Bring mich nicht zum Lachen, Modesta. Das kann nicht sein, einmal den Kinderschuhen entwachsen, lernt man das nicht mehr. Ich hab’s versucht, aber ich war zu alt und fürchtete das Wasser schon.«
    »Weil du keinen hattest, der es dir beigebracht hat. Ich habe es gelernt.«
    »Teils glaube ich dir und teils nicht, Modesta. Oder willst du mir eins auswischen und mich auf diesen Mann eifersüchtig machen?«
    »Den Zweifel kann ich ausräumen, komm mit …«
    Trotz meiner Angst will ich es schaffen, ihn zu verblüffen. Ohne Sonne ist das Meer tief und feindselig wie einst geworden. Wenn ich dem vom Mond leuchtend auf diese schwarze Fläche gezeichneten Weg folge, kann ich meine Angst vielleicht überwinden. Vom Ufer folgt mir Carmine mit mißtrauischem Blick, die Hosen bis zu den Schenkeln aufgekrempelt. Schon liebkosen Wellen leicht wie Palmenzweige meine Schultern. Ich fröstele, aber ich will ihn verblüffen, koste es, was es wolle. Niemals könnte ich mich umdrehen und in seine lachenden Wolfsaugen schauen. Obwohl ich zittere, löse ich die Füße vom Sand und schwimme, den Blick nur auf den Weg des Mondes gerichtet, in Richtung Horizont. Weit draußen, damit mein Sieg vollkommen ist, drehe ich mich zum Himmel um und spiele toter Mann. Vielleicht legt sich das Zittern, wenn ich mich entspanne. Mit Augen, die nicht sehen, den Augen einer Toten, starre ich den Mond an, der sich ausdruckslos lächelnd hin und her wiegt …
    Jemand ruft vom Ufer her. Das muß er sein. Ich kann nicht antworten. Und wenn ich nicht zurückkehrte? Dreimal hat er gerufen und vielleicht viele Schritte in meine Richtung gemacht, denn als er mich empfängt, schlägt der Mond Wellen gegen das Weiß seines Hemdes.
    »Genug, Modesta! Du hast mir Angst gemacht. Dumme Scherze sind das, Figghia! Wieso mußtest du so weit hinausschwimmen? Bei Gott, du hast mir Angst gemacht! Wenn dir nun schlecht geworden wäre? Du bistganz kalt und zitterst. Machtlos an die Erde gefesselt, hätte ich nur zuschauen können!«
    Ins Leben zurückgekehrt, lasse ich mich in seine Arme treiben.
    »Gehen wir. Du brauchst das Kleid nicht anzuziehen. Weißt du, was ich mache? Ich wickle dich in Orlandos Decke. Siehst du, selbst Orlando stampft, ich schwöre, daß auch er erschrocken ist.«
    »Du und er seid erschrocken … Ich friere bloß.«
    »Natürlich frierst du! Wickle dich nur gut in die Decke ein. Laß mich das machen, genau so.«
    »Hast du gesehen, daß ich schwimmen kann?«
    »Und ob ich das gesehen habe! Der Schlag hätte mich treffen sollen, als ich dich herausgefordert habe! Du bist gefährlich, Mädchen! Komm, laß dich in die Decke wikkeln.«
    »Von mir aus, aber du mußt sagen: ›Modesta kann schwimmen.‹«
    »Modesta kann schwimmen, aber jetzt muß sie auch still sein. Und sich von Carmine wie eine brave Picciridda nach Hause bringen lassen.«
    Unter der warmen Decke wieder zu mir gekommen und von seinen Armen und dem

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