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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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schweren Schlag seines Herzens gewiegt, will ich nicht schlafen. Ich möchte keinen seiner Schritte versäumen, die von der Nacht verstärkt widerhallen. Im Dickicht der Bäume verlöscht das Mondlicht, und das Dunkel der Palmenzweige senkt sich auf meine Lider, aber ich will nicht schlafen. Mit Mühe hebe ich den Kopf an seinen Hals und greife nach den harten Locken, die unbeweglich in dem leichten, plötzlich aufgekommenen Wind stehen. Um den Schlaf zu verscheuchen, brauche ich nur das unter den dichten Koteletten verborgene Ohr in den Mund zu nehmen und daran zu saugen.
    »Sing, Carmine.«
    »Ich kann nicht singen, Picciridda.«
    »Wie weit sind wir schon gekommen, Carmine?«
    »Sehr weit, Modesta.«
    »Und wie weit müssen wir noch?«
    »Sehr weit.«
    »Du mußt nicht sterben, nicht wahr, Carmine? Das war eine Lüge als Vorwand für deine Rückkehr.«
    »Kann sein, Modesta. Wer weiß das schon.«
    »Mir kannst du es sagen, Carmine, denn ich habe dich erkannt, als du zurückgekehrt bist … Wann bist du zurückgekehrt?«
    »Ein Jahrhundert ist’s her!«
    »Sag mir, daß es nicht stimmt. Mir kannst du es sagen, denn du fühlst, daß ich in diesem Jahrhundert mit dir glücklich gewesen bin.«
    »Ich kann dir gar nichts sagen. Aber wenn es dir guttut zu träumen, dann träum und schlaf. Träume und Schlaf sind nahrhafter als Brot.«
    »Ich will nicht schlafen.«
    »Dann schlaf nicht.«
    »Hast du gesehen, daß ich schwimmen kann?«
    »Und ob ich das gesehen habe! Aber mach das nicht noch einmal, jedenfalls nicht in meiner Anwesenheit, der ich aus dem Hinterland bin.«
    »Du hast wohl Angst bekommen, was?«
    »Und ob!«
    »Weshalb ist dann dein Herz nicht stehengeblieben? Du antwortest nicht? Ich weiß, warum.«
    »Und warum? Warum antworte ich nicht?«
    »Weil es nicht stimmt, daß du sterben mußt.«
    »Nein, ich antworte nicht, weil ich meine Phantasie zu zügeln versuche. Ich geh nicht gern den trügerischenBildern auf den Leim, die die Einbildung mir vorgaukelt.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das soll heißen, daß Carmine die finsteren Winkel der Vorstellung, aus denen die Klinge des Verdachts hervorspringen und dich rücklings treffen kann, nicht gefallen.«
    »Ich kann dir nicht folgen, Carmine.«
    »Auch ich konnte dir nicht folgen, als ich dich dort weit draußen im Meer gesehen habe. Aber jetzt schlaf. Ich decke dich zu. Morgen komme ich nicht, du brauchst nicht auf mich zu warten.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich die Wolken von meiner Stirn vertreiben muß, die dich mir entfremden. Jetzt schlaf, und mach dir keine Sorgen.«
    »Nein, ich schlafe nicht, bevor du mir nicht sagst, woher dieses Gefühl der Entfremdung kommt.«
    »Carmine, Mädchen, ist es nicht gewöhnt, zu fragen und nachzuspüren. Er überläßt das der Polizei. Doch wenn er nicht klarsieht, ändert er seinen Weg … Laß mich los! Es hat keinen Zweck, mich festzuhalten. Erst Verdacht schüren und mir dann um den Bart gehen, um die Anspielungen wegzuwischen, das ist zu einfach.«
    »Nein, es ist noch nicht Morgen, du darfst nicht gehen! Siehst du, ich habe recht, es stimmt nicht, daß du sterben mußt, wenn du mit so viel Kraft deinen Weg weitergehen und mich vergessen kannst, als hättest du noch zehn Jahre vor dir.«
    »Ich hab noch nie gehört, daß das Bewußtsein des eigenen Todes feige macht.«
    »Verdammter Alter! Dann geh mit deinem Zweifel!«
    »Genau das versuche ich, Mädchen! Nimm deine Arme von meinem Hals, ich will dir nicht weh tun.«
    »Warum kann ich dich nicht fortjagen?«
    »Das weißt du.«
    »Wenn du wirklich so genau hinschaust, müßte dir das alles sagen, wie ich mich an dich klammere.«
    »Das tut es auch, aber du mußt es mir mit der Stimme bestätigen. Nur so kann ich herausfinden, ob mein Zweifel die trügerische Einbildung eines Geliebten war.«
    »Ich habe an dich gedacht, Carmine, als Carlo mich umarmte. Und als er fort war, habe ich mich gestreichelt und deinen Namen gesagt.«
    »Öffne die Schenkel, ich will dich dort küssen, wo du dich gestreichelt hast … Dein Körper ist voller Düfte.«
    »Ich muß gehen, Modesta, der Wald beginnt zu zittern, mir bleibt gerade noch Zeit für eine Pfeife.«
    »Ich will auch rauchen.«
    »Nimm deine eigene Pfeife. Wozu habe ich sie dir sonst mitgebracht?«
    »Nein, ich rauche deine und du meine.«
    »Zu Befehl, Padroncina.«
    »Warum wolltest du mich damals nicht Padrona nennen, Carmine?«
    »Weil du ein junges Ding warst, das habe ich dir doch gesagt.«
    »Und was bin

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