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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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wollte er auch mir so eine dumme Gans andienen.«
    »Aber du hast nicht gehorcht, und das mußte er akzeptieren. Warum schreist du so?«
    »Ich schreie, weil ich ihn und dich hasse!«
    Schreiend rennt Mattia zu seinem Motorrad und gibt dem Motor, der blitzschnell zu stampfen beginnt, mit einem Tritt die Sporen. Ich sollte hineingehen, das Tor schließen und diesen Jungen seinem Schmerz überlassen. Auch er hat ihn geliebt, wenn er so weinen kann … Ich sehe ihn weit weg über sein mondweißes Stahlroß gebeugt. Carmine hat nichts verstanden, weder sich selbst noch die anderen, und ich muß in mein eigenes Leben zurückkehren. Aber die auf mich zukommende schwarzeMasse des Waldes atmet so sehr Tod und Einsamkeit, daß in meinem Körper das Eis dieses letzten Kusses wachgerufen wird.
    »Warum gehst du nicht hinein?«
    »Und du, warum fährst du nicht weg, statt den Motor so zu quälen?«
    »Ich habe den Motor ausgemacht. Hörst du nicht, wie still es ist? Jetzt siehst du aus wie eine Leiche …«
    »Hör auf zu schreien, Mattia, störe mein Haus nicht!«
    »Könnte ich doch dein Haus so stören, wie du meins gestört hast! Ich hasse dich, Fürstin! Warum wolltest du mir mit deinen Worten meinen Vater ausliefern …«
    »Du wußtest doch alles, Mattia.«
    »Verdacht und Wissen ist zweierlei. Du hast ihn ein zweites Mal umgebracht.«
    »Keiner konnte ihn umbringen. Carmine ist gegangen, als es ihm paßte.«
    »Sprich den Namen nicht aus!«
    »Sei vorsichtig, Mattia, was du für Haß hältst, ist Neid, Neid auf deinen Vater.«
    »Was weißt du schon davon?«
    »Ich glaubte ebenfalls, ihn zu hassen, und es war bloß Neid. Auch weil ich wütend und neidisch darauf bin, wie er gestorben ist.«
    »Du bist keine Frau, sondern ein Lavateufel.«
    »Ich bin eine Frau, wenn Carmine mich geliebt hat.«
    »Das stimmt nicht! Er hat nur meine Mutter und uns Söhne geliebt.«
    »Damals ja. Aber nach dem Tod deiner Mutter hat er jahrelang eine andere Frau geliebt.«
    »Das ist nicht wahr!«
    »Sie hieß Assunta, falls du das nicht weißt. Eine Tochter, die ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ist, läuft inAcireale herum. Und ein weiterer Sohn von ihm schläft dort oben im Haus.«
    »Sei still, oder ich bring dich um und schicke dich zu ihm, den du so begehrst.«
    »Komm nicht näher, ich habe eine Pistole in den Händen.«
    »Also stimmt es, was er gesagt hat, dich kann nichts erschrecken. Wer bist du?«
    »Komm nicht näher! Ich schieß dir ins Bein, Mattia, ich habe dich gewarnt! Geh nach Hause, bis sich der Haß in dir gelegt hat.«
    Ich müßte, die Pistole auf ihn gerichtet, drei Schritte zurück machen und das Tor schließen, aber gegen meinen Willen gehe ich auf ihn zu.
    »Was erlaubst du dir, Bursche, über mein Leben und das deines Vaters zu urteilen? Wolltest du eine Lüge hören? Du enttäuschst mich. Ich habe geglaubt, mit Carmines Sohn zu sprechen. Statt dessen rede ich mit einem Lazzarolu, der nur nach einfältigen Worten sucht. Mach dich aus dem Staub, und laß dich von den Weibern trösten!«
    »Nein! Das mußt du tun.«
    »Und wie?«
    »Ich habe meine Meinung über dich geändert. Du hast mir gleich die Wahrheit gesagt. Du mußt mich trösten.«
    »Niemand kann uns trösten.«
    »Laß dich anfassen, so wie er dich angefaßt hat … Ich will wissen …«
    Plötzlich entzündet seine Hand auf meiner eine vergessene Hitze in meinem eisigen Körper, und ohne die Pistole von sich abzuwenden, flüstert er leise:
    »Schieß doch, los, schieß!«
    »Hast du ihn so sehr geliebt, Mattia?«
    »Mein Leben und das meiner Mutter hat er mit seinenBefehlen zerstört. Einen Engel von einer Frau habe ich seinetwegen verlassen, aber ich habe an ihn und sein Wort geglaubt.«
    »Welches Wort?«
    »Daß er sein Leben lang nur uns geliebt hat.«
    »Wir lügen alle.«
    »Nein! Er nicht! Du hast die Pistole fallen lassen, Fürstin.«
    »Dann heb sie doch auf. Heute ist eine Todesnacht, Mattia. Wenn einer stirbt, ruft er die zu sich, die er geliebt hat.«
    »Was machst du, gehst du?«
    »Ich gehe zu meinem Sohn.«
    »Der auch sein Sohn ist.«
    »Sein Abbild, mußt du sagen.«
    »Das stimmt nicht.«
    »Komm morgen bei Tageslicht wieder, dann zeige ich dir meinen jungen Carmine.«
    »Warte. Ich glaube dir … Bevor du hineingehst, sag mir die Wahrheit. Ich muß wissen, ob das Gerede stimmt.«
    »Was?«
    »Wie ist meine Mutter gestorben?«
    »Im Kindbett. Das hat der Alte gesagt.«
    »Mir haben sie erzählt, daß sie sich umgebracht hat …

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