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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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überfallen. Wie immer waren alle Fensterläden und Fenster verrammelt, um neun Uhr abends, verdammt noch mal! Und verdammtes Catania!«
    Jose: »Das hat nichts mit Catania zu tun, Pasquale! Im Norden ist es auch nicht anders, nur kommt dort erschwerend hinzu, daß viele sich gegen uns wenden. Und wenn sie Alarm schlagen, kommt auch noch die Polizei, um die Schwarzhemden zu beschützen.«
    Modesta: »Aber warum Carlo, warum ausgerechnet er?«
    Jose: »Soweit ich das einschätzen kann, gilt auch hier die Devise: Auf die Kommunisten. Der ehemalige Genosse Mussolini kennt seine kleinen sozialistischen Brüder recht genau. Er läßt sie plappern, erschreckt sie damit, daß er ihnen manchmal den Hintern versohlt oder ihnen wie unruhigen Kindern sanft mit Rizinusöl den Magen reinigt. In Scharen laufen sie zu ihm über. Und wer seiner Einladung Widerstand leistet, dem verspricht er gern einmal einen Befehlshaberposten. Schon haben viele der Besten nachgegeben. So kann er uns Kommunisten, die dadurch isoliert worden sind, geduldig einen nach dem anderen aus dem Weg räumen.«
    Pasquale: »Das schaffen sie nie, Jose!«
    Jose: »Hast du das gehört, Modesta? Das schaffen sienie, sagt er. Was soll das heißen, das schaffen sie nie? Warum sollte man den Fortschritt nicht aufhalten können? Die Geschichte als Lehrmeisterin des Lebens? Lehrmeisterin nur darin, Fehler zu wiederholen, könnte man meinen. Ihr Sozialisten habt wirklich keinen Fehler ausgelassen! Wieso versteht ihr das bloß nicht? Obwohl du jung bist, Pasquale, solltest du dich in der Geschichte auskennen … Dieselben Fehler wie im Mai ’98. Derselbe Turati mit seinem Lippenbekenntnis ›Nicht nachgeben‹. Obwohl doch der sowjetische Erfolg klare Worte gesprochen hat. Aber stimmt ja, ich habe vergessen, daß du nur Avanti liest: ›Gemeinsam gegen die Verbrechen des Sowjets‹.«
    Pasquale: »Gewalt führt bloß zu noch mehr Gewalt!«
    Jose. »Wunderbar, Pasquale! Lauf weiter mit diesem sozialistischen Evangelium anstelle einer Pistole in der Tasche herum, und möge dir dein Gott helfen, an den du angeblich nicht glaubst. Erklär mir mal, wie wir Carlo vor diesen fünf Besessenen gerettet hätten, wenn ich nicht geschossen hätte?«
    Modesta: »Du trägst also eine Pistole?«
    Jose: »Natürlich, Modesta, obwohl sie leider auch mir diese Gewaltlosigkeit eingetrichtert haben. Zwei von ihnen habe ich verletzt, aber nur am Bein, keine Sorge.«
    Modesta: »Darum mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Ich habe Carlo eine Pistole geschenkt, und er hatte mir versprochen, sie bei sich zu tragen.«
    Jose: »Offensichtlich hatte er sie nicht dabei.«
    Modesta: »Aber warum, Jose, warum nicht?«
    Jose: »Du kennst Carlo doch, du weißt genau, wie er dazu steht.«
    Modesta: »Entschuldige, Jose, ich stelle weiter Fragen, deren Antwort ich kenne. Aber es will mir einfach nichtin den Kopf, verzeih mir. Sag mal, hast du erkannt, wer es war?«
    Jose: »Es war dunkel, und außerdem lebe ich schon lange nicht mehr in Catania, aber vielleicht hat Pasquale …«
    Pasquale: »Drei habe ich erkannt, Modesta.«
    Modesta: »Nenn mir die Namen, Pasquale.«
    Pasquale: »Das ist nichts für Frauen, vergiß es.«
    Modesta: »Entweder nennst du mir die Namen, oder ich rede kein Wort mehr mit dir. Und wie einen Verräter werde ich dich Stunde für Stunde anstarren!«
    Pasquale: »Aber ich will dich doch nur schützen, Modesta. Wenn du die Namen weißt, bist du in Gefahr … Na gut! Zwei kannte ich nicht oder konnte sie nicht genau erkennen, aber einer war Ciccio Musumeci mit seinem Bruder Turi und der andere dieser Tudia, der auf dem Motorrad herumfährt. Ich habe ihn genau gesehen, denn als Jose ihn am Bein verletzt hat, ist er auf mich gefallen, und ich mußte ihn wegstoßen, um aufstehen und fliehen zu können.«
    Modesta: »Hast du gesagt, daß Jose ihn am Bein verletzt hat?«
    Pasquale: »Und wie! Schwer verletzt, glaube ich, denn er ist richtig über mir zusammengebrochen. Du weißt doch, das ist ein Riese, und eine leichte Verletzung hätte ihn nicht einmal taumeln lassen.«
    Modesta: »Konntest du seine Haare erkennen?«
    Pasquale: »Nein, er hatte den Motorradhelm auf.«
    Mattia! »Ich kriege dich, selbst wenn ich um dich herum alles verwüsten müßte! Ich verschwinde lieber, sonst bring ich dich und all deine Freunde um!«
    Seit Stunden wartete ich am Fenster und forschte in den eisigen Strahlen des Mondes, die auf meinen vom Zweifelund von den Tränen schmerzenden Lidern brannten.

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