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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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und sich immer mit dem absurden Umstand aufziehen ließ, daß er achtundzwanzig war undhöchstens wie neunzehn aussah – ich war nicht Carlo und beteuerte wütend:
    »Das ist kein Scherz, ich bin dreiunddreißig und mache keine Scherze!«
    »Aber das ist unglaublich, Ihr wirkt nicht älter als zwanzig! Und mit ernster Miene wie jetzt höchstens fünfundzwanzig.«
    Glücklicherweise mündete ihr Erstaunen dann ohne Umschweife in den Bericht dessen, was Jose über mich erzählt hatte, und dabei fixierte sie wie immer irgend etwas über meinem Kopf, das sie wahnsinnig zu interessieren schien. Glücklicherweise, da es mir einfach nicht gelang, die achtjährige Modesta zum Schweigen zu bringen, welche »die Stimme« in mir wachgerufen hatte und die jetzt – was tat die Kleine nur? – in Tränen ausbrach vor lauter Scham, nicht alt genug zu sein für Tuzzu, der noch erwachsener und dünkelhafter geworden war, seitdem er rauchte. Ich versuche, Modesta zu beruhigen, aber sie weint weiter wie Bambú – sie sind doch alle gleich, diese Picciriddi –, wenn Prando mit seinen Freunden Fahrrad fahren geht und sie allein zurückbleibt:
    »Ich weine nicht, weil er geht, Stella, ich weine, weil ich, seit er von Mama das Rennrad bekommen hat, auch zu Hause Luft für ihn bin.«
    »Aber er mag dich doch, Bambolina, das sagt Prando immer wieder.«
    »Mag sein, aber nicht so sehr, wie ich ihn mag.«
    »Was soll das heißen? Sind wir hier etwa im Laden und wiegen Zucker gegen Kaffee ab? Weißt du, was Jacopo erwidert hat, als diese dumme Gans von einer Köchin ihn damit aufzog, daß du, ja du, Prando lieber hättest als ihn?«
    »Nein, weiß ich nicht. Was hat er gesagt?«
    »Er hat gesagt: ›Entscheidend ist, wie gerne ich Bambolina habe. Lassen Sie mich in Frieden!‹ Beängstigend, Modesta, wie diese Picciriddi von heute so reden! Wie die Großen!«
    »Und wie hat Bambolina reagiert, Stella?«
    »Sie hat sich sofort beruhigt und ist losgelaufen, um Jacopo zu suchen.«
    Jacopo hat recht, und auch Modesta weint nicht mehr. Sie hat beschlossen, ihre Liebe zu dieser Frau zu genießen, selbst wenn diese sie niemals würde lieben können, eingenommen, wie sie war, von ihrem Freund Nazim, dem türkischen Dichter und Helden, von Silone, dem Schriftsteller und großen Antifaschisten, von Jose … Dauernd spricht sie nur von ihm. Ob sie vielleicht in diese hakennasige Bohnenstange verliebt ist?
    Mela hat ihre Etüden wiederaufgenommen. Diesem Mädchen gelingt es, die mechanischen Tasten des Klaviers in lebendige Saiten einer Harfe zu verwandeln.
    Joyce lacht zum zweitenmal und nimmt dabei einen Moment lang die Zigarette von den Lippen.
    »Jose verheiratet? Verliebt? Um Gottes willen, Modesta! Ihm graut vor diesen Worten noch mehr als Euch und mir. Und wenn Ihr die Liebe als Krankheit bezeichnet, geht er noch weiter, indem er behauptet, sie sei eine Droge, stärker als die Religion. O mein Gott, ich erinnere mich noch an Angelicas irritierten Gesichtsausdruck, als er …«
    »Wer ist Angelica?«
    Wenn mich schon die Vorstellung all ihrer männlichen Freunde verrückt machte, ließ mich die Nennung einer Frau wie zur Flucht hochschnellen. Glücklicherweise hatte ich mich nur in den Kissen aufgesetzt und schaltete zur Rechtfertigung der plötzlichen Bewegung die Lampean. Sie lächelte wieder, drehte ihren Kopf jedoch von dem hellen Kegel weg, der blendend auf das weiße Laken fiel, und betrachtete den Sonnenuntergang. Versteckte sie sich? Was verbarg sie, wenn sie sagte:
    »Kennt Ihr Angelica Balabanoff nicht? Ich dachte, Ihr würdet sie kennen, sie ist eine gute Freundin Maria Giudices.«
    »Nein, ich habe sie nie kennengelernt. Ist sie so schön wie Maria?«
    »O nein, ich bin versucht zu sagen, im Gegenteil, aber dafür ist sie sehr interessant und so intelligent, daß es bei einer Frau fast schockierend ist, wie Jose immer sagt.«
    Von dem »im Gegenteil« beruhigt, ließ ich mich wieder in die Kissen zurücksinken.
    »Aber ja, besonders wenn sie zornig wird, und Jose versteht es, sie regelmäßig zornig zu machen.«
    »Und wie?«
    »Indem er sie mit ihrer Prüderie aufzieht. Ihr kennt Maria und werdet verstehen. Es sind ganz außergewöhnliche Frauen, aber aus einer anderen Generation; und wie ich Euch gerade erzählte, hat Jose eines Tages – Gott, wie lange das schon wieder her ist – auf irgendeine Frage Angelicas im Stile von: ›Na, mein Junge, hast du denn keine Neuigkeiten für deine Angelica, die nichts lieber sähe, als daß du

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