Die Unvorhersehbarkeit der Liebe
bist es müde, zwischen Rotznasen und Alten zu leben, wie du gesagt hast.«
»Du bist nicht alt! Wegen dieses blöden Satzes würde ich am liebsten sterben. Du bist schön, Mama, die Schönste von allen! Das sagt auch Andrea … Ich weiß nicht, keine Ahnung, was mich geritten hat. Einmal glaube ich dich zu hassen, dann wieder kann ich nicht leben, ohne dich zu sehen. Eine verdammte Rasse, wir Brandiforti! Ich lege mich mit jedem an, ich werde noch mal ein Schwachkopf wie mein Vater!«
»Dein Vater war kein Schwachkopf. Es war die Krankheit, die ihn so zugerichtet hat. Du bist nicht krank, stimmt’s? Oder ist etwas passiert, das dir angst macht?«
»Nein, nichts, Teufel noch eins! Ich passe auf, du glaubst doch nicht, ich sei verrückt? Was habe ich denn, he? Was habe ich?«
»Ich weiß, was du hast.«
»Und was, Mama?«
»Wir beide lieben uns zu sehr und sind uns zu ähnlich.«
»Meinst du? Wenn du mich so umarmst, glaube ich es auch fast.«
»Es ist so, Prando. Sagen dir nicht alle, daß du mein Ebenbild bist, wenn du lächelst?«
»Oh, umarme mich, Mama!«
»Siehst du, wie ähnlich wir uns sind, Prando? Zuerst schreien wir uns an, beleidigen uns, und jetzt kann ich mich an nichts mehr erinnern. Du etwa?«
»Das stimmt, auch ich erinnere mich an nichts … schon als Kind ging mir das immer so.«
»Weißt du noch, was du mir als Kind immer gesagt hast, als du entdeckt hattest, daß Papa zu krank war, um bei uns zu sein? Du hast immer gesagt: ›Sei nicht traurig, Mama, wenn ich groß bin, heirate ich dich.‹«
»Stimmt, ich erinnere mich. Ich dachte, ich hätte das geträumt …«
»Ich würde dich auch heiraten, wenn du nicht mein Sohn wärst, Prando.«
»Du würdest mich heiraten? Ach, komm! Du hältst doch nichts von mir.«
»Fängst du schon wieder an?«
»Schätzt du mich denn wirklich? Sieh mir in die Augen und wiederhole es.«
»Ich schätze dich sehr, Prando, aber du mußt nachPalermo gehen und dort ein Weilchen bleiben, schau dich ein wenig um. Die Mädchen in Palermo sind sehr hübsch.«
»Das sagt Andrea auch, aber wieso fallen dir solche Sachen auf?«
»Ich bin ja auch ein bißchen ein Mann, wie, Prando? Was meinst du?«
»Also, wenn du so bist wie vorhin, bist du fürchterlich. Wenn du das gesehen hättest!«
»Was denn?«
»Ich muß lachen.«
»Warum?«
»Als du hinausgingst, hat ’Ntoni so getan, als würde er applaudieren.«
»Nein!«
»Dann hat er gesagt, daß du eine großartige Schauspielerin abgeben würdest. Und ich habe ihm einen Fausthieb versetzt, armer ’Ntoni! Aber ich habe mich sofort entschuldigt und ihm ein Steak aufs Auge gelegt und lange mit ihm geredet und … Ich bin plötzlich so müde, Mama, wie kommt das? Darf ich hier bei dir schlafen?«
Als sein Kopf schwer auf meinen Busen sank, wurde mir klar, daß er mich zumindest mental besessen hatte. Aber ich stand in Flammen. Wie sehr mochte ich ihn begehrt haben, ohne es zu wissen!
73
Das Wunder der Einbildungskraft! So häßlich ich mich beim Wörtchen alt gefühlt hatte, so schön und befriedigt fühlte ich mich nun, hier, im kalten Badewasser liegend, mit Prando, der im Zimmer nebenan schlief – wie in denLiebesromanen die junge Braut auf Hochzeitsreise … Beatrice war nach ihrer Hochzeit mit jedem Tag schöner und selbstbewußter geworden … Doch konnte ich meine heitere Ekstase nicht lange genießen. Kaum war ich aus dem Bad gestiegen, als ich auch schon wieder Prandos verstörte Stimme hörte.
»Mama, wo bist du?«
»Ich bin hier.«
»Was ist passiert?«
»Du bist eingeschlafen.«
»Nein! Wie ist das möglich?«
»Du bist eben wie ich. Zuerst wirst du wütend, schreist herum, und dann schläfst du ein. Kannst du dir Jacopo vorstellen, wie er nach einem Streit mit Bambú einschläft?«
»Nicht im geringsten! Der macht immer eine riesige Geschichte daraus! Vorige Woche hat er mich nach einer Diskussion mit Bambolina volle drei Tage belagert. Wenn er erst einmal auf etwas fixiert ist, dann gute Nacht!«
»Wir empfinden es als fixe Idee, Prando, dabei ist er einfach nur anders.«
»Klar! Und wie lange habe ich geschlafen?«
»Kurz.«
»Und was hast du gemacht?«
»Ein Bad genommen.«
»Hast du das Plaid über mich gebreitet?«
»Sicher, zuerst habe ich dich zugedeckt, und dann …«
»… hast du ein Bad genommen … Was für ein schönes Kleid! Das hattest du lange nicht mehr an, es ist mein Lieblingskleid.«
»Ich weiß.«
»Warum hast du dich so schön gemacht? Etwa für diesen
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