Die Unvorhersehbarkeit der Liebe
Tudia, der zum Abendessen kommt?«
»Fängst du schon wieder an, Prando?«
»Warum triffst du dich immer mit ihm?«
»Geschäftlich, wie mit Anwalt Santangelo und den anderen, das weißt du.«
»Ja, aber der hier ist nicht alt und sieht dich auf eine Art an, die mich auf die Palme bringt. Puh, ich bin schweißgebadet! Darf ich mich in deinem Bad kurz duschen? Dieses Nickerchen hat mich vielleicht müde gemacht … Ich würde gern hierbleiben, aber ich habe Hunger. Was soll ich tun, Mama, soll ich lieber baden oder duschen?«
»Wie du willst.«
»Wenn ich bade, seifst du mir dann den Rücken ein?«
Wieviel Zeit war vergangen? Es schien gestern, daß Prando in der Wanne ertrinken konnte wie in einem See und Modesta gut aufpassen mußte, sehr gut … Jetzt spielen seine Füße, die groß sind wie von einem Standbild, mit der Kette des Abflußstopfens.
»Habe ich einen Hunger! Wer kocht heute abend?«
»Jacopo und ’Ntoni sind an der Reihe, glaube ich.«
»Ach du liebe Güte! Was die wohl wieder für Schweinereien zusammenwerfen.«
»Letztes Mal war es gar nicht so übel.«
»Aber warum hören sie nicht auf Stellas Ratschläge? Ich bin ja auch nicht gerade ein Genie am Herd, aber ich halte mich wenigstens an Stellas Ratschläge. Oh, Mama, weißt du, daß ich letzte Woche bei Andrea vollen Erfolg mit meinem Braten hatte? Wir waren zu zehnt, und dann wollte Andrea es auch lernen. Selbst er, ein Kommunist! Und das, obwohl er sich vorher nicht einmal Spiegeleier machen konnte.«
»Das ist die Schuld der Mütter, die ein Geheimnis um ihre Kochkünste machen und ihre Söhne mit Leckerbissenverwöhnen. Ich habe auch lange gebraucht, um es zu lernen. Quecksilber und deine Tante Beatrice waren einfach nicht aus der Küche zu vertreiben.«
»Wie schön du bist, Mama! Ich wette allerdings, auch du hast keine große Lust, die Experimente von ’Ntoni und Jacopo zu probieren.«
»’Ntoni kocht gar nicht so schlecht.«
»Mag sein, aber sei ehrlich, Appetit hast du auch nicht darauf, stimmt’s?«
»Kein bißchen.«
»Dann hör zu: Wenn du mir Geld gibst, weil ich pleite bin – das ist kein Motorrad, sondern ein Loch, das die Penunzen nur so aufsaugt! –, wenn du mir also Geld gibst, führe ich dich zum Abendessen in das neue Restaurant an der Plaia aus. Ich mag es, wenn sich beim Eintreten alle nach uns umdrehen. Wenn du mir Geld gibst, mache ich eine gute Figur, und du ißt gut.«
»Ach, das kann ich kaum ausschlagen, bei dem Hunger, den ich habe!«
»Wie schön! Dann gehen wir also … Wie leicht du bist, Mama, wieviel wiegst du?«
»Du hast ja auch eine fürchterliche Kraft! Komm, komm, laß mich wieder runter. Mir wird ja schon schwindelig.«
»Eine federleichte Mama habe ich, bei Gott!«
»Das wird der Hunger sein. Wir wollen los, laß mich runter, Prando! Du hast doch auch Hunger, oder? Sag Stella Bescheid, und dann geht’s los zur Plaia, wie der Riese hier es befiehlt.«
»Und wenn wir niemandem Bescheid sagen und einfach abhauen?«
»Das wäre schön, aber du weißt, daß das nicht geht.«
»Also gut, ich sage es Stella, aber warte im Wagen aufmich, damit dich niemand sieht, so können wir wenigstens so tun, als seien wir abgehauen …«
Wunder der Einbildungskraft, ich hatte wirklich das Gefühl, in die Nacht zu fliehen, neben diesem schweigenden Jungen, der ganz auf den Wagen konzentriert war wie Carmine, wenn er auf Orlandos Muskeln lauschte, darauf bedacht, ganz sanft zu schalten, um den Lauf seines Tieres nicht zu stören. »Ein Motor ist ein lebender Organismus, stark und empfindlich, Jacopo, such dir jemand anderen, der dir das Fahren beibringt. Du hast kein Händchen für Lebendiges, mir zerreißt es jedesmal das Herz, wenn du einen neuen Gang einlegst, Teufel noch eins!«
In dem vertrauten Schweigen liegt eine schützende Kraft. Aufgewachsen am Meer, hat der Junge sich das ernste Schweigen aus dem Landesinnern bewahrt. Er wird nicht sprechen, bevor wir nicht am Ziel sind.
»Da sind wir, Mama, denk mal an, wir haben exakt zwanzig Minuten gebraucht! Was für eine schöne Frau du bist in diesem Kleid, wenn es nach mir ginge, würdest du es immer tragen.«
»Das würde schnell langweilig, Prando.«
»Mir nicht, mir ist Vertrautes lieber als Neues.«
»Das hier ist aber ein neues Lokal.«
»Tja, ich weiß nun mal, wie sehr die Damen das Neue schätzen, deshalb habe ich mir einen Ruck gegeben. Gefällt es dir?«
»Es ist großartig! Und wie lang der Steg ist … Man fühlt sich wie auf
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