Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
Vom Netzwerk:
einem Schiff!«
    »Sie haben versucht, die Rotunde so weit wie möglich hinauszuziehen. Wir essen auf der Rotunde, ja? Oder wird dir dort kalt? Wenn dir kalt wird, sag es mir, dann gebe ich dir meine Jacke.«
    Mir ist nicht kalt, aber der Wunsch, seine Arme um meine Schultern zu spüren, läßt mich sagen:
    »Eine kleine Brise weht hier doch.«
    »Ich wußte es. So sind die Frauen, um schön zu sein, ziehen sie sich zu dünn an, und dann … Aber ich mag das. Was ist, Mama, du siehst plötzlich so traurig aus?«
    Ganz in unserer Nähe berührt sanft herabfallendes, schwarzgewelltes Mädchenhaar wie zufällig das Gesicht eines jungen Mannes. Prando schenkt dem noch keine Beachtung, doch bald schon wird seine Jacke über jenen zerbrechlichen Schultern liegen, die von einem kaum spürbaren Hauch von Seide bedeckt sind, dunkel und zart wie die Nacht. Ich bin eifersüchtig, hebe meinen Blick und sehe ihm in die Augen: neue Eifersucht, mütterliche Eifersucht, die den Haß auf seine Jugend schürt.
    »Was ist los, Mama, warum ißt du nichts?«
    »Ich esse doch, Prando, aber ich bin eifersüchtig.«
    »Eifersüchtig? Was sagst du da, auf wen denn?«
    »Auf all die Mädchen, um deren Schultern du deine Jacke legen wirst. Und ich möchte dir erzählen, was ich heute abend entdeckt habe, um dich vor mir zu warnen, von Mann zu Mann oder von Frau zu Mann, wie du willst.«
    »Und was hast du entdeckt?«
    »Daß es das, was wir mütterliche Eifersucht nennen, wirklich gibt und daß wir es uns besser eingestehen sollten.«
    »Was meinst du damit?«
    »Nichts … Ich warne dich nur, daß ich höchstwahrscheinlich immer auf jede Frau eifersüchtig sein werde, in die du dich verliebst.«
    »Aber wo denkst du hin, ich habe nicht die geringste Absicht …«
    »Nein, Prando, weiche mir nicht aus, vor vielen Jahren haben wir entschieden, nicht so zu sein wie all die anderen Familien, die den schönsten Zusammenhalt heucheln und sich in Wirklichkeit untereinander unterdrücken.«
    »Ja, gewiß! Und ich habe versucht, dich zu verstehen, und auch zugestimmt, Bambolina zu respektieren … Was hast du denn plötzlich? Habe ich vielleicht etwas getan, das dir nicht paßt, und du willst mir zwei Ohrfeigen versetzen wie damals?«
    »Nein! Damals gab ich dir zwei Ohrfeigen, weil du von Bambolina erwartet hast, dich wie eine Sklavin zu bedienen, und nicht wolltest, daß sie mit deinen Freunden spricht. Warum hast du das getan, Prando, jetzt, wo du älter bist, warum?«
    »Oh, bestens! Erstens weil alle meine Freunde es so taten und ich es für richtig hielt. Und außerdem war ich eifersüchtig.«
    »Da haben wir’s, und jetzt gebe ich mir selbst zwei Ohrfeigen, weil ich in mir die Neigung aller Mütter entdeckt habe, die wir kennen, und zwar so stark, daß … Wir müssen etwas dagegen unternehmen, und du mußt mir helfen.«
    »Aber ich finde es, um ehrlich zu sein, ganz schön, wenn du eifersüchtig bist.«
    »Ich aber nicht! Und du mußt mir helfen.«
    »Na schön, aber wie?«
    »Da lachst du, was, Prando?«
    »Na ja, so etwas hätte ich nie von dir erwartet.«
    »Ich auch nicht.«
    »Und was sollen wir tun, Mama?«
    »Nichts! Dein Lachen hat mich wieder an meinen Hunger erinnert … Oh, jetzt sind die Spaghetti kalt.«
    »Meine auch. Sollen wir uns neue bestellen?«
    »Natürlich! So geht das ja nicht.«
    »Du bist toll.«
    »Ja, aber voller Schwächen, Prando. Wie alle Mütter. Ich möchte, daß du meine Schwächen kennst und dich in Zukunft vor mir in acht nimmst.«
    »Du Teufelin! Und du weißt genau, daß du mit solchen Reden in meiner Wertschätzung noch steigst, wo andere Frauen mir immer wie kleine Dummerchen vorkommen, Bambú eingeschlossen.«
    »Dagegen kann ich nichts tun. Das ist der Preis, den man bezahlt. Seit ich einen Mann wie Carlo gekannt habe, fällt es auch mir schwer, ihn zu ersetzen. Das ist dein Problem, aber ich habe dich gewarnt, und du weißt: Wer gewarnt ist, ist halb gerettet. Oh, da kommen endlich die Spaghetti.«
    »Jetzt ist mir nicht mehr kalt, wahrscheinlich war es der Hunger. Hier, da hast du deine Jacke wieder, Prando.«
    »Bist du denn auch auf Jacopo eifersüchtig?«
    »Nein! Als du noch klein warst, störte es mich auch nicht, wenn Stella oder Tante Beatrice dich auf dem Arm hatten. Erinnerst du dich an Beatrice?«
    »Ja, und es gibt ja auch Fotos von ihr. Aber sie war schöner als auf den Bildern, stimmt’s? Ich erinnere mich an ihre blonden, federleichten Haare …«
    »An denen du immer gezogen hast …

Weitere Kostenlose Bücher