Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
Vom Netzwerk:
gemildert von den weich fallenden grauen Anzügen mit weißen Nadelstreifen, dieselben Köpfe, nur befreit von der faschistischen Kopfbedeckung: »Ihr, Fürstin, seid eine Heldin, und mehr denn je brauchen wir heute Frauen wie Euch. Die Zukunft gehört den Frauen! Wie in Amerika. Mit Eurer Vergangenheit werdet Ihr Scharen von Frauen anlocken, Ihr werdet die erste weibliche Parlamentsabgeordnete sein …« Außer Pasquale, der mir fast leid tut, sind alle da: Mit sauber rasierten Wangen, nach Bergamotte duftend. Und wenn ich schon zu Hause nichts sage, mache ich mir wenigstens dort den Spaß zu beobachten, wie das Blut aus ihren Wangen weicht: »Sie meinen, die erste Frau, die für ihre Kollaboration bezahlt wird? Warum, ist der Begriff Kollaboration nicht mehr üblich? Ja, Kollaboration mit den Gutsbesitzern, den Baronen, den Priestern.« – »Aber Fürstin, Demokratie! Wir werden eine Demokratie haben! Wir müssen lediglich zuerst durch Kommunalwahlen beweisen, so legt Amerika uns nahe, daß wirdemokratiefähig sind! Und mit der Demokratie werden wir … das seht Ihr bald … Aber Ihr wollt doch nicht etwa Kommunistin werden, Fürstin?«
    »O Tante, ich bitte dich, so sage doch etwas!«
    »Entschuldige, Bambú, ich dachte nur an das, was ich morgen den Herren sagen werde.«
    »Du meintest, mit dem Fall der Regierung Parri und den Amerikanern in Italien wird es niemals zur Revolution kommen?«
    »Genauso ist es, Bambú! Parri stürzt, und der Jesuit De Gasperi kommt an die Regierung. Das Jesuitentum nimmt seinen alten Platz wieder ein, wie Jose gesagt hätte.«
    »Aber Togliatti ist doch auch noch da.«
    »Solange er nicht stört, und natürlich um die Gefahr einer Revolution klein zu halten. Ach, genau, das werde ich morgen sagen, das wird ein Spaß.«
    »Du wirkst nicht gerade, als amüsiertest du dich, Tante.«
    »Ich werde sagen, daß ich Kommunistin bin und nur an die Revolution glaube. Man muß in der Opposition sein, wenn ich es recht bedenke. Nina hat recht. Vor allem wir Frauen: immer in der Opposition.«
    »Warum weinst du jetzt, Tante? Warum um Himmels willen weinst du?«
    »Weil ich mich entschieden habe, aber vor allem, weil … weil ich wußte, daß ich Jose nicht wiedersehen würde. Ich wußte es, aber er sollte doch nicht sterben, das sollte er nicht!«
    »O Modesta, ist er tot? Wie ist das passiert?«
    »Ja, in der Schlacht um Monte Cassino. Er hatte sich zur 5. Armee gemeldet. Vielleicht irre ich mich, aber in meinen Augen hat dieser Krieg uns einen der bestenMänner genommen.« – »Und wenn ihr kleinen, leichtfertigen Mädchen nur einen Moment gedacht habt, ihr könntet diesen mißlichen Frieden genießen, irrt ihr euch. Niemals werde ich den Anblick dieser Drückeberger ertragen, die den günstigen Augenblick nutzen, da die Besseren fern sind, um diesen gestohlenen und verlogenen Frieden zu genießen. Der Krieg nimmt immer die Besten, immer!«
    Großmutter Gaias graue Augen bohren ihre Klingen in meine Pupillen, und ich muß den Kopf senken, um ihrem Folterblick zu entgehen … Monate der erbärmlichsten Reden, strotzend vor Rhetorik, guten Vorsätzen, Absichtserklärungen. Während auf dem Land Hungers gestorben wird. Und schon zielen die unsichtbaren Luparen auf die Köpfe der gottlosen Roten. Nein, so sagte man früher, jetzt nennt man sie die »Abgesandten des Bolschewismus«. Schon rollen die Köpfe trotz der Friedenszeiten, und manch einer von den zahllosen im Nichts Verschwundenen bekommt allmählich einen Namen: am 7. Juni 1945 wird in Naro der Gewerkschaftler Nunzio Passalacqua ermordet, Auftraggeber und Ausführende haben am hellichten Tag agiert, unter freiem Himmel, damit alle es sehen und darüber nachdenken können.
    »Tja, die uns allen bekannte adlige Dame hat ihr gesamtes Vermögen in die Hände von Don Calò gelegt. Jawohl, eben der Calogero Vizzini aus unserer Jugend, Modesta. Die Mafia von Palermo und Monreale hat ihn, sagen wir mal, dazu ermutigt, dem EVIS beizutreten, einer Art Heer, gegründet vom rechten Flügel der separatistischen Partei, der Partei derjenigen, die sich von Italien lösen möchten, um besser stehlen zu können. Und in Ermangelungirgendeines Mussolinis finanzieren und bewaffnen sie einen gewissen Banditen mit Namen Giuliano. Don Calò hat persönlich mit ihm verhandelt. Das weiß ich aus sicherer Quelle.«
    »Sie verlieren keine Zeit, was, Mattia?«
    »Immer schnell am Drücker, die Herren, wie Carmine zu sagen pflegte, als ich klein war: ›Das ist das

Weitere Kostenlose Bücher