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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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zuvor. Doch sobald er näher kommt, muß ich denBlick abwenden, um nicht seinem bitteren Mund ohne ein Lächeln zu begegnen.
    »Das Meer hat dir gefehlt, stimmt’s, Modesta, wenn dich nicht einmal die Minen schrecken.«
    »Keine Angst, ’Ntoni, ich bin schon zufrieden, wenn ich hier auf dem kleinen freigegebenen Stück auf und ab gehen kann. Schau, hier sind Schilder aufgestellt, und früher oder später müssen wir doch dafür sorgen, daß Villa und Strand wieder hergerichtet werden.«
    »Sie hat einiges mit ansehen müssen, arme Suvarita! Ich hatte noch nicht den Mut hineinzugehen. Bambú wird fast wahnsinnig, wenn sie davon erzählt, und dabei kann man nicht eben behaupten, daß sie zart besaitet wäre, stimmt’s, Modesta?«
    »Nein, wahrlich nicht.«
    »Stimmt es, daß im Theatersalon alle Mauern beschmiert sind? Daß die Wände mit Blutflecken übersät sind?«
    »Wir haben alles abgewaschen, ’Ntoni.«
    »Und sind die Flecken abgegangen?«
    »Sind sie.«
    »Das hast du gut gemacht.«
    »Nina hat mir geholfen.«
    »Nina ist die schönste und liebste Frau, der ich je begegnet bin. Arme Nina! Man sieht, wie sie wegen ihres Arminio leidet … Wie hat sie auf ihn gewartet, der Krieg ist grausam! Nachdem die Nachricht gekommen war, ist sie dünn und alt geworden. Aber nun wirkt sie wieder wie ein junges Mädchen, wie ist das nur möglich? Wie alt ist sie?«
    »Ich weiß es nicht, ’Ntoni, du weißt doch, daß ich mir das Alter von Menschen nie merken kann.«
    »Woher schöpft sie nur die Kraft? Vielleicht aus ihrerTochter? Klar, sie ist ein wunderbares Mädchen. Es wäre toll, eine Tochter wie sie zu haben. Aber ich glaube, und als ich mit Prando darüber sprach, stimmte er mir zu, daß es besser ist, wenn nicht sogar unsere Pflicht, keine Kinder zu bekommen. Keine kleinen Unglückswürmer mehr auf die Welt zu setzen. Welche Zukunft haben die Kinder von heute schon? Diese Bombe hat uns gerade noch gefehlt, Mody! Was für ein Tod, aufgelöst, pulverisiert im Bruchteil einer Sekunde. Und wer weiß, was noch, was sie uns verschweigen, das verdanken wir alles unseren amerikanischen Freunden.«
    »’Ntoni, ich bitte dich, es ist doch so schon traurig genug.«
    »Oh, entschuldige, Mody, du hast recht, es ist … es ist stärker als ich! Worüber sprachen wir? Ach ja, Nina ist phantastisch! Und wie sie singen kann! Schade, daß sie damals, als wir Theater spielten, nicht dabei war, sie hätte alle begeistert. Schade, daß sie uns vorher nicht kannte, oder, Mody?! Laß uns hier weggehen, ich ertrage den Anblick unseres zerstörten Hauses nicht. Dabei kann ich euch sehen, wenn ich es so anschaue, wie ihr damals wart: Mama in ihren lustigen Kleidern zwischen Bäuerin und feiner Dame, Prando ölverschmiert und abgerissen, der Snob auf den Spuren Jean Gabins! Bambú immer die Schönste in ihren weißen Kleidern … Oh, mir ist, als sähe ich sie die Treppe herunterkommen und hinter ihr ein Paar wie vom Titelblatt einer Illustrierten: die Fürstin, die ihrem Lieblingssohn den Arm bietet … auch wenn du es nie gesagt hast, nicht wahr, Mody? … ihrem langen, schlaksigen Jacopo, mit seinem Kindergesicht und den Schritten eines alten Mannes … Nun lassen sich die Fürstin und ihr Lieblingssohn dazu herab, die Treppe hinabzuschreiten. O Modesta, ich werde verrückt, verrückt!Laß uns schnell weggehen, ich sehe dich im weißen Kleid zusammen mit Jacopo, dabei bist du hier. Modesta, Hilfe, sieh nur!«
    Ein tiefer Schrecken läßt mich zu ihm herumfahren: das bleiche Gesicht eines Menschen, der einen Geist gesehen hat.
    »Sieh nur, ich bin nicht verrückt. Das ist Bambolina mit Jacopo! Er ist es, Modesta, er ist es wirklich! Das kann nur er sein, so groß!«
    Kann das Glück wie ein Blitz in deinen Körper fahren und ihn spalten? Starr vor Freude, kann ich ihn gar nicht ansehen, sondern werde in seinen Armen ohnmächtig.
    Als ich die Augen aufschlage, müssen Jahre vergangen sein, obgleich das Meer dort immer noch glitzert, im selben strahlenden Sonnenschein.
    »O Mama, ein Glück, daß du die Augen aufmachst! Einen Moment dachte ich, du seist ohnmächtig geworden.«
    Es ist seine Stimme, aber dieser robuste Oberkörper, die starken Arme, die mich beinahe vom Boden abheben, sind doch die von Prando. Ich will gar nicht hingucken, ich bin wohl einer Illusion erlegen. Ich hätte nicht auf ’Ntoni und seinen Wahn hören sollen.
    »Nein, Mama, nein, ich bin nicht Prando. Komm, schau mich an, ich bin Jacopo, siehst du mich nicht?

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