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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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diejenige, die die Verbindung zur Fürstin hatte – und das nach nur einem Jahr! Achtung, Modesta, mit der Macht muß man vorsichtig umgehen! Vor allem sollte man nie alte Freundschaften vernachlässigen, wie Shakespeare sagt. Diese demütige Art, mit der sich Beatrice mir anvertraute, bedeutete vielleicht, daß sie sich von mir entfernte.
    »Meine Beatrice, laß uns nicht an schlimme Dinge denken. Komm, lächle! Wenn du lächelst, wird alles um mich herum schön.« Wo hatte sie nur diesen Unsinn gelesen, der den Mädchen so gefiel? Aber er war nützlich. »Wenn du mich anlächelst, strahlt die Sonne selbst durch die Wolken hindurch. Komm und umarme mich. In deinen Armen finde ich den Mut, die schmerzensreiche Aufgabe anzunehmen, die mich erwartet.«
    »O Modesta, du bist wieder lieb zu mir, was für schöne Dinge du mir sagst! In den vergangenen drei Wochen warst du so ernst, daß ich beinahe Angst vor dir bekommen habe.«
    Da, sie hatte es ausgesprochen. Ich mußte ihr diese Angst nehmen, um sie als Verbündete zu gewinnen, auch wenn sie davon nichts ahnte. Angst und Demütigung sind der Keim von Haß und Feindschaft. Und auch der Neid, so stand es geschrieben. Es war schwer, aber jetzt, wo ich langsam ein wenig Macht bekam, mußte ich dafür sorgen, daß ich nicht zu sehr beneidet wurde, auch nicht von der Dienerschaft, wie ein alter und weiser Herrscher.
    Nachdem ich mich in Beatrices Armen hatte trösten lassen, stand ich auf.
    »Und jetzt geh, Beatrice, ich muß beten, um Kraft zu finden.«
    Sicherlich denkt ihr, die ihr diese Geschichte lest, daß meine Eroberung notwendigerweise etwas sehr Unangenehmes mit sich brachte: mit einem Behinderten zu schlafen, der zwar kein Monster, aber doch sehr häßlich war. Nun lest ihr diese Geschichte und seid mir voraus, während ich sie erlebe, immer noch lebe.
    Blitzartig wird mir klar, was mich erwartet. Was hatte das Ungeheuer mit all diesen Mädchen gemacht, die in sein Zimmer gebracht worden waren? Und wen konnte ich fragen? An Pietro war nicht zu denken. Den Arzt? Wie hätte ich das tun können? Auch er war bigott. Mein Ruf als Heilige erlaubte es mir nicht, bestimmte Themen auch nur zu streifen. Kalter Schweiß lief mir den Rücken hinunter, und einen Moment lang zweifelte ich an dem, was mir als Sieg erschienen war. Gegen meinen Willen fiel ich aus Gewohnheit auf die Knie und verbarg den Kopf zwischen den Händen. Ich habe nicht gebetet, keine Sorge, sondern nur versucht, das Entsetzen zu überwinden, das mir das Gehirn vernebelte. Diesem Gefühl der Abscheu durfte ich nicht nachgeben. Und wenn so viele Mädchen in dieses Zimmer gegangen und nicht gestorben waren, dann würde auch ich das schaffen. Ich versuchte mich an irgendeinen Namen zu erinnern. Genau, Carmela, die, die Ippolito dem Arzt zufolge am liebsten gehabt hatte …
    »Verzeiht, wenn ich störe, mein Fräulein. Die Fürstin läßt ausrichten, daß Ihr bei der Trauung das Kleid tragen sollt, das Madre Leonora trug, als sie mit Christus vermählt wurde. Wenn es recht ist, würde ich es mitnehmen, um es aufzubügeln.«
    Nie zuvor war Quecksilber mir gegenüber so respektvoll gewesen, sie sprach langsamer, hielt den Blick gesenkt und rannte nicht mehr wie eine Verrückte im Zimmer hin und her.
    »Darf ich das Kleid mitnehmen, mein Fräulein?«
    Ach so, sie erwartete eine Anweisung von mir. Diese Haltung gab mir das Vertrauen zurück, das ich verloren hatte. Ich gehörte jetzt zur Familie. Und um mich in diesem Vertrauen zu bestärken, ließ ich sie einige Minuten lang warten. Ihre ehrfürchtige Starre und der gesenkte Kopf beruhigten mich endgültig. Mit der Ruhe wurden meine Gedanken wieder klarer. Zumindest mußte ich mich nicht mehr vor den Wänden, den Vorhängen und der Dienerschaft dieses Hauses fürchten wie in der Vergangenheit.
    »Einen Augenblick noch, Quecksilber, ich muß dich etwas fragen. Kennst du eine gewisse Carmela Licari?«
    »Nein, die kenne ich nicht. Das ist doch bloß eine der Bäuerinnen, die unten in den Hütten wohnen. Wie Ihr wißt, haben wir hier in der Villa mit solchen Leuten keinerlei Kontakt.«
    »Du kannst das Kleid mitnehmen.«
    Sie knickste – bevor sie sich bewegte, machte sie jetzt immer einen Knicks – und wagte zu sagen:
    »Aber das Fräulein darf nicht an die da denken. Die sind gegen Bezahlung gekommen und …«
    »Ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt.«
    So hätte die Fürstin geantwortet, und es zeigte augenblicklich Wirkung.
    »O verzeiht! Ich

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