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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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nicht sagte? So gut ich konnte, beruhigte ich Don Antonio, der mir überallhin folgte, auch hierher in das Büro der Fürstin, wo wir uns nach stundenlanger Diskussion einigten. Soviel Zähigkeit und Härte hätte ich diesem alten Kirchenmännlein gar nicht zugetraut. Kaum war der schwarze Rock hinter der Tür verschwunden, brach Carmine in ein solches Gelächter aus, daß ichbeinahe vom Stuhl gerutscht wäre. Seit Monaten hatte ich ihn nicht mehr lachen gehört.
    »Wie sitzt es sich auf diesem Stuhl, Figghia? Nicht zu bequem, scheint mir. Du mußt viel üben, damit dich der Wind nicht aus dem Sattel hebt.«
    Ich haßte ihn, wenn er so mit mir sprach.
    »Was willst du damit sagen?«
    »Ich sage gar nichts. Ist dir nicht aufgefallen, daß ich nichts gesagt habe? Ich sehe nur genau hin.«
    »Weißt du, daß ich ein Kind von dir erwarte?«
    »Bis jetzt hat man es mir noch nicht gesagt, aber ich habe es gesehen. Ich schaue genau hin.«
    »Und warum hast du mir nicht gesagt, daß das passieren kann? Du bist doch alt.«
    »Aber dieser alte Baum hat jungen Saft. Bist du darüber unglücklich? Das solltest du nicht, weil dieses Kind dir meiner Meinung nach gerade recht kommt. Ist es erst einmal da, vor allem, wenn es ein Sohn ist, kannst du denen unten in Catania das Maul stopfen. An deiner Stelle, Figghia, wäre ich gar nicht unglücklich, und ich würde dieses Verlangen nach der Stadt zügeln, das dich gepackt hat. Man sieht es dir an den Augen an, es ist nicht gesund. Und ich sage dir auch, warum: Einmal ist Catania noch von der Seuche befallen, und dann ist es besser, wenn du dort mit einem schönen männlichen Brandiforti auf dem Arm auftauchst.«
    Ich verstand einfach nicht, was er wirklich dachte, aber ich mußte mich zurückhalten. Was sollte ich ohne ihn tun? Auch jetzt, als er aufgestanden war und meinen Kopf wortlos zwischen den Händen hielt, hätte ich ihn am liebsten weggejagt. Aber die trockene Wärme seiner Hände beruhigte mich.
    »Du bist darüber nicht unglücklich, nicht wahr? Duantwortest nicht? Auch gut. Recht hast du. Du haßt mich und willst mir keine Genugtuung geben. Aber ich schaue genau hin. Und ich sehe, daß du darüber nicht unglücklich bist. Daran, wie du deinen Bauch trägst, sieht man, daß du darüber nicht unglücklich bist.«
    Nicht nur war ich darüber nicht unglücklich, sondern jetzt, da mir nicht mehr übel war und sich in der Villa der Geruch von Erbrochenem verzogen hatte, erwachte auch alles Tag für Tag zu neuem Leben. Die Vorhänge, die Salons, das Licht, das Treiben um mich herum. Ein nie gekannter Appetit ließ mir jede Speise wie ein wunderbares Geschenk des Schicksals erscheinen. Mich gelüstete nach allem: Obst, Wasser, Milch und vor allem Brot. Ich hatte den Geschmack von frisch gebackenem, noch warmem Brot mit Öl und Salz darauf vergessen. Nie wieder wollte ich etwas anderes essen. Und mit dem Appetit wurden das Licht intensiver und schmeichelhafter, das Gras frischer und grüner, die Pfirsiche und Feigen saftiger und süßer. Jeden Morgen, wenn ich sie einsammelte und in den Händen hielt, durchströmte mich eine Woge vergessener Empfindungen aus einer weit zurückliegenden Vergangenheit, die ich in einem fernen Winkel meines Gedächtnisses verborgen gehalten hatte. Auch der Schlaf war ein sinnliches Vergnügen geworden. Kaum legte ich mich ins Bett, beugten sich Luft, Schatten und Gedanken über mich, um mich in den Schlaf zu wiegen. Um dieses Gefühl von Frieden länger auszukosten, versuchte ich ihn hinauszuzögern, aber es gelang mir nicht, und die Träume kamen in Rinnsalen aus Licht und Farben über mich. Als ich kein Mieder mehr tragen konnte und meine breite Taille und den dicken Bauch im Spiegel sah, mußte ich wie über einen lustigen, harmlosen Streich, den das Leben mir gespielt hatte, lachen, statt zu verzweifeln, wieich anfänglich gedacht hatte. Ich konnte einfach nicht ernst bleiben. Das einzig Mühsame war der Schmerz über den Tod der Fürstin, den ich vor allen zur Schau tragen mußte.
    Ippolito war kein Problem gewesen. Kaum war die Fürstin gestorben, öffnete ich das Gefängnis seines Zimmers. Und wie ich es vorausgesehen hatte, wurde seine Aufmerksamkeit, als Pietro ihn herausführte, sofort von meiner Person abgelenkt. Er hatte sich so an mich geklammert, weil ich die einzige Frau war, die sich mit ihm beschäftigt hatte. Um freier zu sein, ließ ich eine besonders ausgebildete Krankenschwester aus Turin kommen. Ich wählte die hübscheste aus.

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