Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Zweiten schenkte der Advokat der Erzählung des Marquis de Lunette einiges Vertrauen. Der Marquis verfügte über einen hellen Verstand. Peregrin Aber war ganz froh, Tabbi in dessen Nähe zu wissen.
    »Hoffentlich sind sie wirklich entkommen«, seufzte er.
    Alma allerdings hatte sich, so sie denn überhaupt in dieser überbordenden, goldglänzenden Kutsche saß, nicht gezeigt. Von Soldaten umringt, war Peregrin Aber durch den Park gestolpert – jeder Schritt ein Nadelstich – und schließlich auf einen kopfsteingepflasterten Platz gelangt. Das Gebäude dort – in dem der Advokat nun festsaß – war zweifellos eine Kaserne, auch wenn die Dunkelheit, als er hergebracht wurde, schon so weit fortgeschritten war, dass sein Eindruck flüchtig blieb. Im Fackelschein hatte man ihn dann eine Treppe zum Kerker hinabgeführt, und er hatte, sekundenweise, einen Blick auf jene Zelle erhascht, deren völlige Unsichtbarkeit ihm jetzt so schwer zu schaffen machte. Nackte Wände aus großen Steinquadern, eine mit Eisen beschlagene, zentimeterdicke Tür, dazu die Pritsche, die an zwei straff gespannten Ketten von der Mauer hing.
    »Mehr Licht«, sagte Peregrin Aber halblaut, »wäre schön.« Du lieber Himmel, dachte er dann. Er führte Selbstgespräche! So weit war es mit ihm gekommen!
    Im selben Moment hörte er ein Schlüsselbund rasseln. Der Schlüssel rumorte im Schloss, die Tür wurde aufgesperrt. Peregrin Aber hätte nicht gedacht, dass Licht wehtun könnte. Als die Tür aufschwang, sprang die Helligkeit ihn an wie ein blutrünstiger Tiger. Peregrin Aber schlug die Hände vor das Gesicht. Er war der Verzweiflung nahe. Endlich Licht! Und er konnte schon wieder nichts sehen!
    »Ja bitte?«, sagte er geblendet und war sich der Unangemessenheit dieser schüchternen Äußerung schmerzhaft bewusst. Irgendein Gegenstand wurde in die Zelle getragen und auf dem nackten Kerkerboden abgestellt. Etwas aus Holz.
    »Du kannst gehen«, hörte Peregrin Aber eine tiefe Stimme murmeln.
    »Oh!« Mit seiner Freilassung hatte der Advokat nicht gerechnet. »Einen Augenblick, bitte«, sagte er schnell. »Ich kann gerade nichts sehen.« Versuchsweise nahm er die Hände von den Augen und blinzelte. Brutale Helligkeit – sonst nichts.
    Wieder hörte er Schritte, dann fiel die Tür wieder ins Schloss. » Er kann gehen«, sagte die tiefe Stimme. »Sie nicht.«
    Enttäuscht sank Peregrin Aber auf seiner Pritsche zusammen. Wozu noch die Augen öffnen, dachte er. Er versuchte es dennoch. Das Licht tat jetzt weniger weh.
    Vor ihm, auf einem Stuhl, saß ein breitschultriger Militär in prächtiger Uniform. Seinen Kopf krönte ein stolzer Dreispitz, die Wangen bedeckte ein krauser Backenbart. Auf den nackten Boden hatte er einen mehrarmigen Kerzenleuchter gestellt.
    Peregrin Aber hatte den Mann schon einmal gesehen. Im Park, fiel ihm ein, war er es gewesen, der die Soldaten befehligt hatte. Bölkend hatte er auf dem Pfad gestanden.
    »General?«, sagte Peregrin Aber vorsichtig.
    »Genau«, sagte der Militär. »General Grimbert. Sie sind Peregrin Aber. Ich bin im Bilde.«
    Peregrin Aber nickte betreten. Er wäre auch gern im Bilde gewesen. »Ich bin Advokat«, sagte er leise.
    General Grimbert streckte das markante Kinn vor und sah ihn verständnislos an. Offensichtlich wusste er von Peregrin Aber am Ende doch nicht mehr als den Namen.
    »Tut nichts zur Sache, was ich bin«, sagte Peregrin Aber mutlos.
    Es kam zu einem einigermaßen peinlichen Schweigen.
    »Die Kaiserin schickt mich«, brummte der General schließlich.
    Peregrin Aber biss sich auf die Unterlippe. Alma! O Gott!
    »Ich soll Sie zu ihr bringen«, sagte der General.
    Peregrin Aber biss fester. Natürlich. So hatte es kommen müssen.
    »Unangenehme Sache«, sagte Grimbert.
    Peregrin Aber nickte und schöpfte Hoffnung. Wenn der General einzig Almas Vollstrecker wäre, warum sollte er sich dann einen Stuhl in die Zelle tragen lassen und das Gespräch suchen?
    »Die Kaiserin ist jähzornig«, sagte Grimbert in beinahe beiläufigem Ton und setzte sich ordenklimpernd auf seinem Stuhl zurecht. »Außerdem hat sie eine Peitsche.«
    Peregrin Aber durchfuhr es kalt. Folter! Vergebens suchte sein Blick Halt an den nackten Wänden des Kerkers. Verbarg sich hinter Grimberts zur Schau gestellter Verhandlungsbereitschaft letzten Endes nichts als Grausamkeit? Spielte er mit Peregrin Aber wie die Katze mit der Maus?
    »Verstehen Sie, worauf ich hinaus will, Meister Aber?« Der General lehnte sich zurück und