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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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gestern?«, fragte Peregrin Aber verdattert. Er war vor gestern gelandet? Er hatte bereits zwei Nächte in dieser Zelle verbracht? Er seufzte schwer. Peregrin Aber, sonst ein Mann mit vollem Terminkalender und für seine Pünktlichkeit berühmt, war aus der Zeit gefallen.
    »Also?«, sagte Grimbert streng.
    »Was also?« Zwei Nächte! Peregrin Aber schüttelte den Kopf. Dann wurde ihm bewusst, dass Grimbert ihm gerade verraten hatte, dass Tabbi entkommen war, was ihn mit einer wohligen Wärme erfüllte. Tabbi hatte sich nicht so einfach schnappen lassen! Gratulation!
    »Was haben Sie damit zu tun?«, drängte Grimbert erneut.
    »Womit?« Peregrin Aber versuchte sich zu konzentrieren. Er hatte sich ablenken lassen. Den Faden verloren. Was war nur mit ihm los?
    »Mit dem Verschwinden meiner Soldaten zum Donnerwetter!«, grollte Grimbert.
    Peregrin Aber zuckte einmal. »Persönlich nichts«, sagte er dann langsam. Aber wenn der General ihn – wie auch immer – vor Alma beschützen sollte, musste er ihm eine Erklärung liefern. »Könnten Sie mir die Sachlage vielleicht etwas genauer auseinandersetzen, General?« Er versuchte Zeit zu gewinnen. Hier war Vorsicht geboten.
    Grimbert schien einen Augenblick zu überlegen. Dann zog er ein Papier aus der Innentasche seines Uniformrocks. »Meine Leute setzen über den See, Meister Aber. Sie fliehen ans andere Ufer. Und ich habe den Verdacht, dass ihnen dabei geholfen wird. Hier.« Er reichte Peregrin Aber das Papier. »Lesen Sie und liefern Sie mir eine Erklärung! Andernfalls kann ich Ihnen die kaiserliche Peitsche nicht ersparen.«
    Mit zitternden Fingern griff Peregrin Aber nach dem Blatt. »Eine Petition?«, fragte er dann ungläubig, denn so lautete die Überschrift. PETITION – in großen Buchstaben. »Eine Bittschrift?«
    »Von Bitte kann wohl keine Rede sein«, sagte Grimbert empört. »Das sind Forderungen , Meister Aber! Lesen Sie weiter!«
    Peregrin Aber starrte auf das Blatt.
    PETITION
    Länger, als unsere Erinnerung reicht, haben wir, die Trabanten des Kaiserreichs Kanaria, unser Leben namenlos, gesichtslos, gedankenlos und ohne eigene Geschichte verbracht. Das ist, so erklären wir, unwürdig. Deshalb erklären wir unseren Wunsch nach
    eigenen Namen,
    eigenen Gesichtern,
    eigenen Gedanken,
    eigenen Geschichten.
    Bis zur Erfüllung dieser Wünsche erklären wir uns für unabhängig.
    Die Unterzeichner (in Ermangelung besserer Namen) – Acht , Zwei , Sieben , Zwölf , Drei , Elf , Neun , Vier und Zehn
    Trabanten? Das Räderwerk von Peregrin Abers geschultem Verstand war in Gang gesetzt. Er konnte förmlich spüren, wie die Zahnräder im Innern seines Schädels ineinandergriffen. Trabanten! Namenlose und gesichtslose und gedankenlose Trabanten. Natürlich! Das waren diese seltsam gleichförmigen Diener im Park! Die ununterscheidbaren Soldaten, die ihn eingekerkert hatten! Und deshalb waren sich auch Tilla und Bror und dieser vermaledeite Sonnenanbeter Kolman so ähnlich! Sie waren auch Trabanten. Ehemalige Trabanten wahrscheinlich. Nicht, dass Peregrin Aber die Zusammenhänge schon wirklich durchschaute, aber plötzlich machte diese verrückte Geschichte, die Kolman ihm erzählt hatte, Sinn. Irgendwie – Peregrin Aber machte sich lieber keine Gedanken über die Art und Weise – war es Jonas Nichts gelungen, diesen Menschen Namen und Gesichter zu geben! Das war es, was Kolman gemeint hatte, als er von seiner Erweckung sprach! Und diese Erweckung setzte sich fort!
    Peregrin Abers Finger suchte die Zeile mit den Namen der Unterzeichner. ACHT . So hatte sich der sonderbare Gelbe auf dem Steg genannt, bevor sie zur Insel übergesetzt waren. Kolman hatte ihn erweckt und ihm diese neuen Ideen von eigenen Gesichtern und Geschichten in den Kopf gesetzt! So musste es sein! Peregrin Aber wurde Zeuge einer groß angelegten Befreiungsbewegung! Genau das war es!
    Der Advokat schmunzelte. Eine Befreiungsbewegung! Das gefiel ihm. »Hören Sie, General«, sagte er unvermittelt und ließ die famose Petition sinken. »Ich kann Ihr Rätsel lösen. Aber zu meinen Bedingungen. Bringen Sie mich zu Ihrer Kaiserin, ersparen Sie mir die Schmerzen und erhalten Sie mein Leben. Danach werde ich reden.« Dann stand er von seiner Pritsche auf, eigenartig beschwingt und beweglich, und sah dem General Grimbert aufmüpfig ins Gesicht.
    Peregrin Aber genoss das helle Licht des Tages. Er fühlte sich wie in Drachenblut gebadet. Aufrecht stolzierte er neben dem General durch den Park und nicht

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