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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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Arnon Blau, »sind Alma und Clara. Wer spielt, bestimmt. Wer spielt, ist so mächtig wie ein Schutzgeist. Denk dir doch, Alma und Clara hatten die Figuren in der Hand. Ganz buchstäblich in der Hand.«
    Jonas riss die Augen auf. »Cai hat ihre Leute verlassen, als Clara gestorben ist!«, entfuhr es ihm.
    »Nicht ganz.« Arnon Blau streckte die Beine aus, stöhnte leise und rieb sich die Hüfte. »Wir kommen jetzt allmählich zu dem Teil der Geschichte, den ich selbst miterlebt habe«, sagte er. »Alles andere weiß ich nur von Clara.«
    Jonas machte sich ganz klein an seiner Wand. Er hatte die Finger fest um die winzige Figur geschlossen. Sie kamen der Wahrheit, vor der er sich so fürchtete, bedrohlich näher. Diesmal schloss er die Augen, als zöge er einen Vorhang zu.
    »Du musst dir vorstellen«, begann Arnon Blau erneut, »dass das Spiel nun schon viele, viele Jahre währte. Clara und Alma waren erwachsen darüber geworden und auch ein wenig sonderbar. Sehr sonderbar sogar. Sie hatten einfach nicht aufgehört, in der Welt ihres Spiels zu leben, und die andere, die wirkliche Welt darüber fast vollkommen vergessen.« Für eine Weile versiegte seine Stimme.
    Die Stille wurde drückend.
    Jonas strich mit dem Daumen über die winzige Figur in seiner Hand. Irgendwann, vielleicht vor langer Zeit, hatte jemand diese Figur bemalt und vielleicht war ihm darüber die grüne oder die blaue Farbe ausgegangen. Oder aber dieser jemand war unterbrochen worden und hatte, als er mit seiner Arbeit fortfuhr, einfach nach dem falschen Pinsel gegriffen.
    »Nicht jede Fantasie ist gleich, Jonas«, fing Arnon Blau schließlich von Neuem an. »Nicht jede Fantasie ist arglos. Claras Welt, ihre erdachte Welt, meine ich, enthielt alles, wonach sie sich sehnte. Einen wilden Wald, Fabelwesen, jede Menge Abenteuer – es war ein guter, bunter Traum. Alma hingegen wollte Macht. Sie träumte davon, eine große Herrscherin zu sein und nicht bloß eine im hintersten Winkel des Landes vergessene Baronin. In ihrem Spiel sollten ihre Träume wahr werden. Wenn es nach ihr gegangen wäre, dann hätte es in diesem Spiel keine Fängge und Faune gegeben. Alma wollte, dass alles so aussähe wie in der Wirklichkeit. Dass ihr Traumreich einem Weltreich täuschend ähnlich sähe. Sie wollte, dass sich ihre Macht täuschend echt anfühlte.«
    »Deshalb hat sie die Unwahrscheinlichen verfolgt!«, rief Jonas. Er erinnerte sich an das, was der Richter in Kanaria zu Prozessbeginn verlesen hatte. Alles Unwahrscheinliche beleidigt die Wirklichkeit Kanarias .
    »Ja«, sagte Arnon Blau. »Deshalb die Prozesse gegen die Unwahrscheinlichkeit. Aber du bist auch den Trabanten begegnet, nicht wahr? Schau. Die Trabanten sind alles, was Almas Fantasie zuwege bringt. Leblose Gestalten, die sich aufs Haar gleichen und deren einziger Daseinszweck es ist, Almas Großartigkeit zu spiegeln, ihr zu huldigen und sie zu bedienen. Aber ich greife vor. So weit sind wir noch nicht. Hör zu!«
    Jonas lehnte sich wieder zurück, aber so ruhig wie eben wollte er nicht mehr werden. Er stand ja selbst schon an der Tür der Geschichte, die Arnon Blau zu erzählen hatte. Und Arnon Blau ahnte nichts von Tilla, Kolman, Arne und Bror – den Trabanten, die aufgehört hatten, Trabanten zu sein. Am See hast du ein ganzes Dorf zum Leben erweckt , hatte der Wieflinger gesagt.
    »Es gab also Streit zwischen Clara und Alma«, sagte Arnon Blau. »Einerseits war es Claras Fantasie, die die Welt, in der Alma glänzen wollte, zustande gebracht hatte. Andererseits wollte Alma es sein, die alles bestimmte.«
    Jonas war noch einmal bei Lunette im Schloss. Der Himmel vor den Fenstern war rabenschwarz, wie damals, als es auf den Prozess zuging. Und Jonas hörte wieder Lunettes gedämpfte Stimme. Ai und Cai hatten gestritten. Und wir Sieben lebten seitdem in zwei Reichen – in Kanaria und in der Ferne.
    »Sie haben sich getrennt«, sagte Jonas leise. »Lunette, Leopold, Grimbert und Faramund mussten, weil Alma es so wollte, in das neue Schloss nach Kanaria. Und Core, Fiet und Suleman zogen in die Ferne.«
    »Genau so war es«, sagte Arnon Blau. »Und aus Ai, dem Schutzgeist, wurde die Kaiserin von Kanaria. Schon als Ai jedoch hatte Alma begonnen, Core, Claras Lieblingsfigur, zu bedrohen – nur, um Clara zu verletzen. Jetzt wurde eine offene Auseinandersetzung daraus, die die Sieben spaltete. Wäre es nach Alma gegangen, hätte es Krieg gegeben. Aber denk daran, Jonas – Lunette, Leopold und Grimbert, sogar

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