Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts
tun?« Jonas spürte, wie fahrig er war. Kaum ein Gedanke ließ sich festhalten. Jeder stürzte vorbei.
»Still halten. Und auf der Hut sein.«
Jonas schluckte laut. Dann biss er sich so fest auf die Zähne, dass sich seine Kiefermuskeln zu kleinen Bällen verhärteten.
Irgendwie machte es das besser.
»Du musst keine Angst haben«, flüsterte Ole. »Schlimmstenfalls würden sie uns wegschicken. Sie haben keine Ahnung, wer ich bin.«
Jonas stutzte. Was sollte das wieder heißen? Wer war denn Ole Mond, dass die Kaiserlichen ihn nicht erkennen durften? Aber Jonas hatte sich schon viel zu viele Blößen gegeben. Er würde nicht weiter nachfragen, sondern auf Ruben warten. Stumm verfluchte er die Soldaten. Warum mussten sie gerade jetzt auftauchen?
Der Pfau im Baum gegenüber war aufgewacht und miaute. Mit einem ungelenken Satz verließ er seinen Ast und schleppte sein schweres Rad davon wie ein Bündel Reisig. Er hatte auch keine gute Nacht.
»Da.« Plötzlich waren sie in Sicht, eine Zweierreihe aus bleichen Uniformen unter dem Mond, vielleicht fünfzig Schritt entfernt. Klirrend kamen die Soldaten zum Stehen. Es war ungefähr ein Dutzend Männer. Ein großer Kerl mit tressenbesetzter Brust an ihrer Spitze brüllte in die Nacht.
»WER DA?«
Jonas zuckte zusammen. Hatte der Anführer sie entdeckt? Aber Oles Hand lag wie zur Beruhigung auf seiner Schulter.
»Zeigt Euch!«
Der Anführer stierte in Richtung der Hügel weiter hinten. Jonas folgte seinem Blick, konnte aber nichts erkennen.
»Kompanie!«, donnerte der Anführer.
In die bleiche Horde hinter ihm kam Bewegung.
»Entzündet die Fackeln!«
Mit einem unterdrückten Fluch drückte Ole Jonas zu Boden. Die Erde roch würzig. Sie kam so nah wie in einem Traum. Auf einmal war Jonas schwindlig.
Dann wurde es hell. Von einem Augenblick auf den anderen waren die Soldaten dort drüben in ein flackerndes Licht getaucht. Jeder zweite von ihnen hielt eine Fackel hoch, an der die Flammen leckten. Sattgelb erschienen die Uniformen jetzt im Licht, Gesichter leuchteten auf und verschwanden wieder im Schatten.
»Zieht blank!«
Ein Geräusch wie Messerwetzen. Blanke Säbel spiegelten die flackernden Lichter. Jonas’ Finger krallten sich in die schwere Erde.
»Halt!«, bellte der Anführer.
Da vorn war eine Bewegung im Gras. So als richtete sich jemand auf.
»Kompanie!«, brüllte der Anführer. »Fasst ihn!«
Dann war alles ein Rennen, Stürzen, Huschen. Die Soldaten stoben klirrend auseinander. Wie Irrlichter schwankten die Fackeln in der Finsternis. Seit sie brannten, war die Dunkelheit, die sie umgab, undurchdringlicher als zuvor.
Jonas spürte seinen Atem schneller gehen, immer schneller. Er schloss die Augen und machte sie gleich wieder auf, weil ihm sonst noch schwindliger wurde.
»Er ist da!«, brüllte der Anführer, jetzt wieder ins Dunkel getaucht. »Da!«
Ole neben ihm war vor Anspannung ganz steif.
»Dort!«, schrie der Anführer.
Die Erde zerbröselte zwischen Jonas’ Fingern.
»Da!«
Die Soldaten stürmten vor, machten kehrt, stürmten zurück. Einer fiel, wie eine Sternschnuppe stürzte seine Fackel ins Gras. Zwei andere stießen fluchend gegeneinander.
Jonas riss die Augen auf, so weit er konnte.
»OH, ihr verdammten Automaten!«, fluchte der Anführer.
Erst jetzt entdeckte Jonas den Schatten, der wie ein Hase zwischen den Soldaten Haken schlug. Gebückt, dann aufrecht spurtete er voran, bis sich ihm ein Soldat in den Weg stellte. Dann tauchte der Schatten wieder ab, für einen Augenblick erneut unsichtbar.
Mit heiseren Stimmen riefen sich die Soldaten etwas zu.
»Hier!«
»Hierher!«
»Hab dich!«, krächzte einer. Aber dann fiel er bloß um, ganz so wie der andere zuvor, Fackel voran.
Der Schatten schien zu entkommen. Jonas hatte ihn wieder im Blick, nur noch zwei Soldaten versperrten ihm den Weg ins Offene. Doch jetzt warf sich einer dieser beiden dem Schatten zwischen die Beine. Der Schatten strauchelte und fiel. Nur ein Zwinkern später war auch der zweite Soldat über ihm. Seine Fackel hatte er achtlos zur Seite geworden. Jetzt hörte man ein Keuchen.
Aber es war ein ungleicher Kampf. Immer mehr Soldaten kamen heran. Gespenstisch sah es aus, als sie die Kämpfenden mit ihren Fackeln umringten. Jonas sah fassungslos zu, zu keinem Gedanken mehr fähig, so, als wäre er innerlich taub.
Der Anführer kam als Letzter hinzu, für ihn teilte sich der Kreis. Zu Füßen der Soldaten war es jetzt still.
»Stellt ihn hin!«,
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