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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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hoch.
    Er hat große Augen und eine lange Nase.
    Er trägt einen Bart und braune Gewänder.
    Krempel ist in Abwesenheit lebenslanger Verbrechen
    gegen die Wahrscheinlichkeit für schuldig befunden
    worden.
    Nach § 1 Absatz 2 der Höchsten Kaiserlichen Verfügung
    beleidigt seine Existenz die Majestät.
    Nach geheimdienstlichen Erkenntnissen ist Krempel
    Rebell und gefährlich.
    Auf seine Ergreifung ist eine Belohnung ausgesetzt.
    Im Namen der unfehlbaren Höchsten Kaiserlichen Hoheit,
    O. R. (Oberster Richter)
    Jonas war wie vor den Kopf geschlagen. Ein Wicht? Er starrte auf das Bild. Ein Kaiser? Ein Richter? Ein Rebell? Wohin um Himmels willen war er geraten? Er sah auf, aber die Bäume blieben Bäume und über der Hügellandschaft hinter den Stämmen brach eine gewöhnliche Sommernacht herein. Die Farben verblassten, der Pfau schien jetzt zu schlafen.
    Vielleicht war Wicht ja nur ein anderes Wort für einen kleinen Mann? Aber diese Augen …
    Fein säuberlich faltete Jonas den Steckbrief zusammen und steckte ihn in die Innentasche seiner Joppe. Sein Magen knurrte. Er würde sich ein Versteck suchen müssen, von dem aus er den Weg, den er gekommen war, übersehen könnte. Er …
    »Willst du dir die Belohnung verdienen?«
    Zuerst schrie Jonas, und weil Jonas schrie, schrie dann auch der Pfau. Aus dem Halbdunkel zwischen den Stämmen kam ein meckerndes Gelächter.
    »Hast wohl Angst, was?«
    Es knackte. Ein Zweig brach.
    »Musst keine Angst haben. Kindern tu ich nichts.«
    Jonas rang nach Atem, suchte Worte. War er das? Hatte Ruben ihn nicht aufhalten können? Andererseits – war das nicht die Stimme eines Jungen, die er da hörte?
    Wie ein Schatten löste sich jemand von einem Stamm und trat ins Dämmerlicht. Der Jemand war nicht größer als Jonas.
    »Ich bin Ole Mond«, sagte er. »Und wer bist du?«
    Der Junge war jetzt nur ein paar Schritte von ihm entfernt. Ein Wust dicker, kupferroter Haare wies von seinem Kopf in alle Himmelsrichtungen, das Gesicht darunter war klein und leuchtend blass. Ole Mond trug einen knöchellangen, dunklen Mantel und einen breiten Gürtel um den Bauch. Die Gurte eines Rucksacks schnitten ihm in die Schultern.
    Jonas’ erster Gedanke war, dass er alles geheim halten musste. Wunderlich, Ruben, das Spielzimmer, das Heft, das Clara geschrieben hatte und das er immer noch bei sich trug, und sogar seinen Namen. Aber sein Mundwerk machte alle guten Vorsätze gleich zunichte.
    »Jonas«, sagte Jonas.
    »Jonas. Gut. Und weiter?«
    »Nichts«, sagte Jonas und ärgerte sich.
    »Nichts weiter. Auch gut«, sagte Ole Mond.
    »Nein«, hörte Jonas sich sagen. »Nichts ist das Weiter. Ich heiße so. Nichts ist ein Name. Meiner jedenfalls.«
    Ole Mond hatte einen unheimlich großen Mund. Er grinste unverschämt. Dann trat er einen Schritt näher, die Daumen unter die Gurte seines Rucksacks geklemmt. »Es gibt nichts, das es nicht gibt«, sagte er und klang ziemlich großspurig dabei. »Ich weiß das. Ich habe alles gesehen. So bin ich.«
    Er schaute Jonas neugierig an und Jonas schaute weg.
    »Also«, sagte Ole. »Willst du jetzt den armen Krempel fangen? Kopfgeldjäger werden? Siehst gar nicht wie ein Trabant aus.«
    »Wie ein was?«, fragte Jonas leise.
    Ole Mond zog eine Braue hoch und legte langsam den Kopf schief. »Ja, sag mal … Wo kommst du denn her, dass du nicht weißt, was ein Trabant ist?«
    Jonas zwang sich zu überlegen. »Von da«, sagte er schließlich und wies zumindest ungefähr in die Richtung, aus der er gekommen war. »Ich warte auf jemanden.« Aber das war schon wieder ein Satz zu viel gewesen.
    »Auf wen denn?«, fragte Ole Mond.
    »Das …«, sagte Jonas und bohrte die Fingernägel in seine Handflächen, »… geht dich nichts an.« Er rechnete fest mit einer scharfen Antwort, aber Ole Mond nickte anerkennend.
    »Was dagegen, wenn ich dir Gesellschaft leiste?«, fragte er. »Es wird langsam dunkel und ich bin ein bisschen müde.« Ohne eine Antwort abzuwarten, schnallte er den Rucksack ab und wuchtete ihn auf den Boden. »Hast du Hunger?«, fragte er. »Wir könnten ein Feuer machen.«
    »Ja«, sagte Jonas. »N-Nein!«, sagte er dann. »Kein Feuer. Bitte.«
    Ole hatte sich schon über den Rucksack gebeugt und sah jetzt auf. »Ja. Nein. Ja. Nein«, sagte er, etwas unwirsch und ein wenig spöttisch. »Hör mal! Wenn hier was im Argen liegt und du dich vielleicht versteckst, dann sag es besser. Ich fürchte mich vor gar nichts, aber ich weiß ganz gern, wovor ich mich nicht

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