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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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Kaiserin, die Ruben gefangen hielt und vor der Ole sich verbarg. Er würde verstehen müssen, was geschehen war, um zu verstehen, was geschehen musste. Der Gedanke erschreckte ihn.
    »Die Kaiserin?« Der Marquis lächelte bitter. »Wer könnte das sagen? Sie kam an Ais statt. Herrscherin zu Wasser und zu Lande, über Körper und Geist. Kaiserin aller Trabanten – zu denen letzten Endes auch ich zähle.«
    Jonas stutzte. »Aber Sie sind doch kein Trabant.«
    »Ich bin Sterngucker, Jonas. Weißt du, dass die großen Planeten Monde haben? So wie die Erde einen Mond hat? Treue Begleiter, die sich von ihrem Gestirn nicht lösen können. Diese Monde nennt man Trabanten. Es ist also ein schlechter Scherz, wenn ich mir Leopold als Jupiter denke. Denn hier in Kanaria ist nur die Kaiserin ein Planet. Und wie könnte ich Venus sein! Das ist der Übermut der Traurigen, Jonas, der Übermut der Verzweifelten. In Wahrheit sind wir alle Trabanten der Kaiserin. Wir sind uns dessen nur unterschiedlich bewusst. Der gute Hermes ahnt nichts und ich weiß es eben. Die Frage wäre – wer von uns beiden ist besser dran?« Er legte die Hände auf seine weiß gepuderten Wangen.
    »Sie kam einfach so? Die Kaiserin?« Jonas rutschte zwischen den Laken unruhig hin und her. Clara war in Callamaar gewesen, sie hatte von der Ferne gewusst und wahrscheinlich auch Kanaria gekannt. Aber was taten Alma und Irmingast, wenn sie erst im Spielzimmer und dann im Schrank verschwanden? Wohin führten ihre Wege? Am liebsten hätte er Lunette nach den beiden gefragt.
    »Einfach so? Nein!« Der Marquis klang jetzt bitterer denn je. »Die Krönungsfeier war eine überwältigende Zeremonie. Hunderte, ach was, Tausende von frischen Trabanten jubelten. Später hat sie die meisten von ihnen auf die Dörfer rund um den See verteilt, wo sie jetzt dumpf und stumpf vor sich hin leben. Eigentlich kommen diese bemitleidenswerten Kreaturen nur zu sich, wenn die Unfehlbare Höchste Kaiserliche Hoheit in ihrer Kutsche anrauscht. Dann streuen sie wieder Blumen. Beim Krönungsfest damals war die Gesandtentreppe mit Lilien …«
    »Lass doch die alten Geschichten, Lunette.«
    Mitten im Satz brach der Marquis ab, sein Blick wanderte zur Tür.
    Jonas fuhr hoch.
    Ole stand im Türrahmen, das Haar zerrauft, die Augen noch voller Schlaf. »Er ist gekommen, um seinen Onkel zu befreien. Mehr nicht.« Ole streckte sich. »Außerdem habe ich einen Bärenhunger. Meinst du, der Hermes würde uns was bringen?«
    Der Hermes brachte was – scharf gebratenes Geflügel, Braten, weißes Brot, Käse und Obst. So hatte Jonas noch nie gefrühstückt. Der Marquis trank goldenen Wein in kleinen Schlucken.
    Draußen vor dem Fenster irrte ein Häuflein Trabanten durch den Park. Die Sonne schien, die Brunnen sprudelten wieder. Das Licht brach sich in vielen Farben.
    Jonas kaute und dachte an die Erzählung des Marquis. Er brannte darauf, mehr zu erfahren, aber in Oles Gegenwart wagte er nicht zu fragen. Es war nicht so, dass Ole ihn ausschloss, aber die ganze Geschichte sollte Jonas, wenn es nach Ole ging, auch nicht erfahren. Jonas wusste nicht, warum. Aber er spürte, dass der Marquis Oles Wunsch respektierte.
    »Was macht eigentlich die erbliche Majestät?«, fragte Ole mit vollem Mund und riss sich ein Stück Brot ab.
    Der Hermes stand hinter ihnen, die Schürze wie immer bekleckst, die Hände sorgsam hinter den Rücken gefaltet. »Keine Besserung, Herr«, antwortete er beflissen, so als wäre Leopold krank. »Ich bitte um Vergebung für die schlechte Nachricht, die ich überbringe. Aber das chinesische Hofzeremoniell ist noch nicht aufgehoben. Ihre erbliche Majestät hat den unglücklichen Flügeladjutanten, der das Missgeschick hatte, Majestät von einer tückischen Bremse stechen zu lassen, bereits mehrfach degradiert. Alle Orden sollen ihm von der Brust gerissen werden. Es war gar von Verbannung die Rede. Und ihre erbliche Majestät will jetzt gar niemanden mehr sehen. Auch nicht die Leibdiener. Zuvor ist es, ich bitte um Verzeihung, dass ich das so offen ausspreche, auch laut geworden in den Räumen ihrer erblichen Majestät.«
    »Leopold hat gebrüllt?«, fragte Ole schmatzend.
    »Verzeihung?« Der Hermes war verunsichert.
    »Egal.« Ole tunkte sein Brot in eine Lache Bratensaft. »Hat der Flügeladjutant überhaupt Orden?«
    »Vergebung? Ich verstehe nicht.« Der Hermes wurde ganz unruhig.
    »Schon gut, Herzilein.« Lunette gab ihm einen erlösenden Wink. »Der junge Herr macht

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