Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
Vom Netzwerk:
Terrasse den Trabanten geschüttelt hatte. Er würde für Ruben unter diesen Tisch kriechen, nur für Ruben.
    Der Hermes war durch eine Tür verschwunden und kam nun, eine Serviette über dem Arm, mit einer dampfenden Suppenterrine wieder. Übervorsichtig stellte er sie auf den Tisch.
    »Verzeihung, aber …« Er verbeugte sich. »Also … Das Essen wäre so weit. Die Suppe. Sie darf keinesfalls kalt werden. Keinesfalls kalt werden.« Er klang wie sein eigenes Echo.
    »Gut.« Lunette gab Jonas einen Stups. »Du machst das schon, Junge. Immer schön unterwürfig, hörst du?«
    Jonas war übel. Die Suppe roch auf einmal widerlich.
    »Komm.« Der Marquis hob das lange Tischtuch an und Jonas kroch zögernd unter den Tisch. Es war ziemlich dunkel dort. Der Parkettboden war glatt und kühl.
    Lunette schlug das Tischtuch noch einmal beiseite. Er musste sich bücken, um Jonas ansehen zu können, und das Blut stieg ihm ins gepuderte Gesicht. »Hör mal«, raunte er. »Wenn etwas schiefgeht, komme ich dich holen. Ja? Verlass dich auf mich!«
    Dann schloss sich das Tischtuch wie ein Vorhang und nur einen Augenblick später begann die Kurbel des Tischlein-deck-dichs zu quietschen.
    Jonas spürte, wie sich der Boden unter ihm hob. Bald hörte er Lunette und den Hermes unter sich vor Anstrengung keuchen. Das Tischtuch bewegte sich wie im Wind, über ihm auf der Tischplatte schlug Besteck gegen Porzellan. Dann öffnete sich die Luke in der Decke geräuschvoll. Jonas hielt den Atem an, bis sich die Klappe mit einem Krachen wieder unter ihm schloss.
    Das bisschen Licht, das jetzt unter das Tischtuch fiel, war satter als unten, der ganze Raum schien wärmer zu sein. Er war im Speisezimmer des Erbprinzen.
    Zunächst wagte Jonas nicht, sich auch nur zu rühren. Er lauschte angestrengt – auf Schritte oder auf ein Stühlerücken. Bestimmt wartete der Erbprinz darauf, dass die Suppe kam. Doch es war nichts zu hören.
    Dann spähte Jonas nach allen Seiten. Er erwartete, ein paar Stiefel zu sehen, solche, wie sie Leopold auf der Terrasse getragen hatte, aber er entdeckte nichts. War niemand da?
    Zentimeterweise wagte sich Jonas unter dem Tischtuch hervor, Kopf voraus. Das Erste, was er sah, waren brennende Kerzen in einem Halter an einer überladenen Wand. Vergoldeter Stuck wucherte dort, rosa Marmor begrenzte die Flächen, und alles, alles andere war aus pastellfarben bemaltem Porzellan – die Vasen auf dem Kaminsims, die Kerzenständer, sogar eine Uhr. Das Zimmer war so bunt, dass es in den Augen wehtat.
    Jonas kroch ganz unter dem Tisch hervor und ging in die Hocke. Über dem Tisch hing ein gewaltiger Lüster, auch er aus Porzellan und wahrscheinlich zentnerschwer. Die Suppe dampfte noch. Der Raum war leer.
    Zunächst wusste Jonas nicht weiter. Mit dem Gefühl, der Prunk des Speisezimmers könnte ihn sonst erdrücken, richtete er sich auf. Sollte er hier auf den Erbprinzen warten? Oder würde Leopold die Suppe einfach kalt werden lassen? Vielleicht hielt der Erbprinz es mit dem Essen ja wie mit dem Versteckspiel …
    Nur – wo konnte er sein?
    » Hoher König «, flüsterte Jonas probeweise und machte einen Schritt auf die nächste Tür zu. Sie stand halb offen, auf dem Türblatt prangte ein großer, goldener Kanarienvogel, von Blättern umrankt. Auf einmal war Jonas, als höre er von fern Musik.
    War das möglich?
    Er machte noch einen Schritt, das Parkett stöhnte. Dann ging er schnell bis zur Tür und trat in den angrenzenden Raum. Er war ganz in Weiß und Gold gehalten. Unter der Decke hing ein gläserner Lüster, dessen Kerzen brannten und sich in den dunklen Fenstern spiegelten. Hinter einem zierlichen Schreibtisch stand ein prunkvoller Sessel. Doch auch hier war niemand. Nur die Musik war jetzt deutlicher zu hören – Geigen stürmten voran.
    Natürlich wäre Jonas am liebsten umgekehrt. Aber er hätte nicht einmal den Weg aus den Prunkräumen hinaus gewusst. Und außerdem war ja Hoffnung – Leopold könnte Ruben begnadigen!
    Jonas huschte durch den Raum auf die nächste Tür zu. Er spürte die Wärme des Lüsters. Die Musik wurde lauter – feierlicher Hörnerschall, dazwischen schepperndes Blech. Aus dem angrenzenden Raum schwappte ein so bläuliches Licht, als wohnte der Mond darin. Jonas zögerte.
    Blaues Licht?
    Aber er war mutiger, als er dachte. Er lugte um den Türrahmen. Das Licht kam von einer leuchtend blauen Glaskugel am Fuß eines goldenen Betts. Es tauchte den ganzen Raum in sein künstliches Mondlicht. Das hier

Weitere Kostenlose Bücher