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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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wiesen. »Aber er würde das wohl so sehen, schätze ich. Nicht, dass er mich suchen würde oder so. Er traut sich aus seinem Versteck ja nicht raus.«
    »Aus der Ferne.« Jonas hatte immer noch keine rechte Vorstellung, was die Ferne eigentlich war. Ein wildes, weites Land , hatte Lunette gesagt.
    »Genau«, murmelte Ole. »Da hocken er und Krempel und Walrider und wie sie alle heißen, und währenddessen führt Alma ihre Prozesse, und Faramund zieht durchs Land, und das Schwarze Kloster wird immer größer und der Hirte wird immer stärker. Deshalb streiten wir. Deshalb bin ich weg.« Ole sah Jonas ernst, fast wütend an. Für seine Verhältnisse war das eine lange Rede gewesen.
    »Walrider?«, fragte Jonas. Er hörte den Namen zum ersten Mal.
    »Ein Alb«, murmelte Ole. »Egal.«
    »Und was ist mit Cores Prophezeiung?« Jonas war sie immer wieder durch den Kopf gegangen. Im Augenblick von Cores Tod sollte ein Junge geboren worden sein, der Rettung bringen würde.
    »Was soll damit sein?« Ole wurde rot. »Lunette glaubt nicht wirklich daran. Das hast du doch schon spitz, oder? Und Suleman glaubt so halb daran. Aber wie zum Teufel soll ich die Prophezeiung erfüllen, wenn er mich in der Ferne versteckt? He? Das geht nicht. Also bin ich los.«
    »Vielleicht«, sagte Jonas vorsichtig, »wollte er bloß warten, bis du erwachsen bist.«
    »Damit der Hirte noch ein paar Jahre mehr Zeit hat? Nee!« Ole schüttelte heftig den Kopf. »Es geht jetzt los. Jetzt!«
    »Und was willst du tun?«
    »Das siehst du doch. Ich verstehe nicht genau, was gerade geschieht, das ist wahr. Aber so ist das nun mal mit Prophezeiungen – sie sind nie leicht zu verstehen. Meistens kapiert man eben erst hinterher, was sie bedeuten. Also suche ich jetzt deinen Freund Ruben. Irgendwie hat er mit allem zu tun. Er oder …« Ole warf Jonas einen seltsam finsteren Blick zu.
    »Oder?«
    »Oder du.«
    Das klang wie ein Vorwurf.
    Ole zog die Füße aus dem Wasser und griff nach seinen Stiefeln. »Was noch lange nicht heißt, dass ich dir die Geschichte mit dem Schrank und diesen alten Frauen glaube. Wenigstens ist das nicht alles.«
    »Es ist alles, was ich weiß«, sagte Jonas, aber es tat ihm weh, zu lügen. Wenn nur Rubens erster Zettel nicht gewesen wäre. Egal, wer dich fragt . Für einen Moment war Jonas sehr einsam.
    Sie gingen weiter, Stunde um Stunde. Einmal gabelte sich der Weg, aber Ole war mürrisch genug, dass er über seine schnelle Entscheidung, sich nach links zu wenden, keine Auskunft gab. Oft ging es jetzt über felsigen Grund bergauf und Jonas fiel zurück.
    Warte, wollte Jonas schon rufen, aber genau in diesem Augenblick drehte sich Ole zu ihm um und legte den Finger an die Lippen. Dann winkte er Jonas heran.
    Jonas’ Puls ging schneller. War da wer? Hatte Ole eine Spur?
    Doch es war etwas völlig anderes. Als Jonas Ole erreicht hatte, fasste der ihn um die Schulter und wies mit ausgestrecktem Arm ein ganzes Stück voraus. Er deutete auf einen Baum am Wegesrand.
    Jonas schauderte. Es war genauso wie im Park. Der Baum dort hatte ein Auge.
    »Siehst du das?«, zischte Ole.
    »Ja. Ja!« Jonas’ Mund war plötzlich ganz ausgetrocknet. »Was ist das?«
    Ole legte die Stirn in tiefe Falten. »Das sind die Augen des Hirten«, raunte er.
    »Im Park war eines«, entfuhr es Jonas. »Ich habe in Kanaria solche Augen gesehen. Im Park. Und im Schloss.«
    »Im Schloss?« Ole wurde blass.
    »An der Decke. An der bemalten Decke. Im Treppenhaus.« Jonas war atemlos. Die Zunge klebte ihm am Gaumen. »Es hat auf uns runtergesehen, als der Hermes uns zu Lunette gebracht hat.«
    »Bist du sicher? Bist du wirklich sicher?« Ole hatte ihn an den Schultern gepackt.
    Jonas nickte stumm und starrte, an Ole vorbei, auf den Baum. Die Augen des Hirten!
    »Warum hast du nichts gesagt, zum Teufel?« Ole fingerte wie wild an seinem Ohrring.
    »Ich … ich habe es nicht geglaubt. Ich habe es nicht für möglich gehalten. Es war so … unwahrscheinlich.«
    »Verflucht!«, zischte Ole.
    Jonas war bestürzt.
    »Deshalb ist Faramund nach Kanaria gekommen. Der Hirte hat uns mit diesen verdammten Augen gesehen. Deinen Freund bestimmt auch.« Ole ballte die Fäuste.
    »Gesehen«, wiederholte Jonas tonlos. Mit einem Mal wuchs der Hirte zu ungeheurer, unfasslicher Größe.
    Ole war fahrig. »Die Flüsterstadt ist voll von diesen Augen, Mann! Aber so weit von der Flüsterstadt weg habe ich noch nie eins gesehen, verstehst du? Und schon gar nicht in Kanaria. Augen in

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