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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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aber dann war genau das sein letzter klarer Gedanke, bevor er erschöpft wegdämmerte.
    Sein Traum nahm ihm die Luft. Es war, als läge einer der schwarzen Felsquader tonnenschwer auf seiner Brust. Jonas wollte hochfahren, aufwachen, selbst im Traum, er wollte sich wenigstens auf die Seite werfen, aber die Last nagelte ihn an den Boden. Endlich riss er die Augen auf und schnappte keuchend nach Luft. Fettes, gelbes Mondlicht rann jetzt den Himmel hinab und tropfte von den Bäumen. Jonas war schweißgebadet, aber der Traum war noch nicht vorüber. Über ihm hockte ein Mann. Strahlend weißes, langes Haar fiel ihm zu beiden Seiten auf die nackte, weiß behaarte Brust. Seine Haut schimmerte im Mondlicht bläulich. Stumm sah er mit hell leuchtenden Augen auf Jonas hinab.
    »Ole!« Jonas’ Stimme erstickte. Er war in höchster Not!
    »Du träumst nicht, Jonas!« Er hörte Ole aufspringen. »Du träumst nicht!«
    Immer noch konnte er sich nicht rühren. Der Mann starrte still auf ihn hinab. Er war alt, wenigstens nicht jung, mit scharfen, klaren Zügen. Seine Brust hob und senkte sich gewaltig.
    »Ich hatte kaum Kraft, herzukommen«, sagte er plötzlich, und seine Stimme war tief und weich.
    Endlich war auch Ole da, über ihm, im Rücken des Mannes. Jonas spürte, wie der Druck auf seine Brust langsam nachließ.
    »Danke, dass du trotzdem hier bist.« Ole klang feierlich. »Ich hatte gehofft, dass du kommen würdest, Trut.«
    Der Mann sah zu Ole auf, die hellen Augen müde. »Sein Wille wird stärker«, sagte er. »Noch ein paar Meter und ich hätte es nicht zu euch geschafft.«
    Ole nickte. »Jonas hat in Kanaria Augen gesehen. Im Schloss.«
    Jonas stemmte sich mühsam auf seine Unterarme.
    Der Mann sah ihn prüfend an. »Ich bin Trut. Gefangener des Hirten.« Immer noch hockte er da, die starken Arme ruhten auf seinen Knien. »Ich habe euch auf dem Plateau gesehen. Ihr müsst vorsichtiger sein.«
    »Du solltest uns sehen«, sagte Ole. »Noch sind Albenaugen schärfer als die des Hirten.«
    »Noch«, sagte Trut.
    Für einen Augenblick schwiegen die beiden. Jonas starrte auf den Alb mit seinen schimmernden Haaren. Er kam ihm gar nicht unwahrscheinlich vor, nur märchenhaft.
    »Du musst dich beeilen, Ole Mond«, sagte Trut schließlich. »Mir fehlt die Kraft, um länger hierzubleiben. Ich muss in den Steinbruch zurück, wenn es mich nicht zerreißen soll.«
    Jonas krächzte etwas, das eine Frage hätte werden sollen.
    Trut verstand auch so. »Das ist der Wille des Hirten, ja. Stärker als alle Ketten.« Die Brust des Albs hob und senkte sich noch immer. Er atmete jetzt schwer.
    Die Grillen zirpten fieberhaft.
    »Wir suchen Jonas’ Freund …«, fing Ole an.
    »Wir haben sie gesehen.« Trut schnitt ihm das Wort ab. »Stunden vor euch. Aber sie haben den Mann nicht hierhergebracht. Wer ist er?«
    »Er ist ein Feind der Kaiserin«, sagte Jonas schnell.
    »So?« Truts Augen leuchteten hell. »Und wer bist du?«
    Jonas zögerte. Ihm wurde heiß. »Ich weiß es nicht«, sagte er schließlich leise. Das war die ganze Wahrheit, und Trut, so kam es ihm vor, forderte sie heraus. Früher hätte Jonas gesagt Ich bin der Junge beim Wirt Brand . Seit Ruben und Peregrin Aber gekommen waren jedoch, seit er durch den Schrank gegangen war, kam ihm die naheliegende Antwort wie eine unlösbare Frage vor. Ich bin Jonas Nichts .
    Für einen kurzen Augenblick legte ihm Trut eine warme Hand auf die Schulter, so als hätte er Jonas’ Gedanken gelesen und wollte ihm Mut machen. Du bist Jonas Nichts .
    »Dafür ist jetzt keine Zeit«, mischte sich Ole ein. Er klang mürrisch. »Wo bringen sie ihn hin? Ins Kloster?«
    Trut nickte knapp.
    Jonas schloss die Augen. Hüte dich , Ruben. Im Kloster ist der Hirte. So war es doch, oder?
    Als er die Augen wieder aufschlug, war das Gesicht des Albs ganz nah. »Du hast unheimliche Augen, Junge«, murmelte er. »Wunderbare Augen. Weißt du, was sie sehen?«
    Jonas machte den Mund auf. Vergebens.
    Aber Trut wollte gar keine Antwort. Er wandte sich noch einmal an Ole. »Du findest, was du brauchst, in der Höhle. Passt auf euch auf.«
    Und im selben Augenblick war er verschwunden. Kein Zweig brach, kein Blatt raschelte. Eine einzige schnelle Bewegung und die Nacht hatte Trut verschluckt.

Das 28. Kapitel
öffnet hinterrücks eine Tür
    Ole Mond sprach nicht über Trut. Er sprach nicht über den Steinbruch, der im Morgengrauen schon weit hinter ihnen lag, und auch über die Höhle, die Trut erwähnt hatte, schwieg

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