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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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er sich aus. Ole hatte es eilig, war immer drei Schritte voraus und ließ Jonas mit seinen irrlichternden Gedanken über Fängge, Faune und vor allem über Alben allein. Nicht immer hatte Jonas Augen für den felsigen Grund, über den sie liefen, und einmal stürzte er sogar. Mürrisch half Ole ihm wieder auf die Beine.
    Der Himmel war an diesem Morgen von einer schmutzig weißen Wolkendecke verhängt. Darunter staute sich die Hitze und Jonas atmete flach. Gestern noch hatte er sich wieder und wieder gefragt, was sie denn tun könnten, sobald sie die Flüsterstadt erreichten; heute wollte er nur noch ankommen, ganz gleich, wo. Seine Beine spürte er kaum, und manchmal hatte er das Gefühl, als ginge er an Fäden, die ein ganz anderer zog. Dann fiel ihm Claras Puppenspieler ein, und eine Zeit lang verlor er sich in Gedanken an die seltsamen Sonneberger Figuren. In Wunderlich hatte er sich den Kopf über sie zerbrochen, jetzt kamen sie ihm so unwirklich vor wie das im Staub versunkene Spielzimmer.
    Ein knapper Ruf ließ ihn aufschrecken. Ole hatte ein großes Auge in einem Felsen entdeckt, und Jonas kam gerade noch rechtzeitig, um aus sicherer Entfernung zu sehen, wie das Lid sich schloss und mit dem von Wind und Wetter glatt gewaschenen Stein verschmolz. Jonas und Ole tauschten bloß einen stummen Blick, dann machten sie einen großen Bogen um den Felsen und blieben so nah beieinander, dass sie sich beim Laufen an den Händen hätten halten können. Um sie herum gab es nichts als steile, grüne Hänge, die dunkler, zackiger Fels durchbrach.
    Der Eingang der Höhle war von dürren Sträuchern verborgen. Zielsicher hatte Ole ein schmales, grasbewachsenes Plateau erklommen. Er schob die vor Trockenheit knisternden Büsche beiseite, als öffnete er eine Tür. Gleich darauf schlugen die Zweige zurück und einen Augenblick lang war Jonas wie ausgesperrt. Er wandte sich um, als könnte er den ganzen langen Weg, den sie gekommen waren, mit einem Blick fassen. Dann drückte auch er sich an den kratzenden Sträuchern vorbei.
    Die Höhle war winzig, kaum mehr als drei, vier Schritte tief, und der sich vorwölbende trockene Stein ihrer Wände und die niedrige Decke ließen sie noch kleiner erscheinen, als sie ohnehin war. Ole musste sich bücken, um die aus groben Brettern zusammengezimmerte Kiste im hintersten Winkel der Höhle zu erreichen.
    Still sah Jonas ihm zu. Ole hob den Deckel ab, lehnte ihn sorgsam an den Fels und zog dann ein dunkles Bündel aus der Kiste. Er trat einen Schritt vor, sodass er sich wieder aufrichten konnte, und faltete das Bündel dann auseinander. Als würde er ein Kleid anprobieren, hielt er sich den Stoff vor die Brust.
    »Nein«, sagte Jonas bloß. Es war eine Kutte, wie sie die Jünger Faramunds trugen; von undefinierbar dunkler Farbe und aus einem groben Stoff.
    »Doch«, sagte Ole und grinste triumphal. Achtlos ließ er die Kutte fallen, kehrte zur Kiste zurück und holte eine zweite hervor. »Nimm dir die da«, sagte er und zeigte auf die erste Kutte, die wild verdreht auf dem Höhlenboden lag.
    Jonas zögerte. Wie eine abgestreifte Schlangenhaut kam ihm die Kutte vor. Aber dann griff er doch nach ihr und rieb den Stoff zwischen seinen Fingern. Er war so hart und rau wie Sackleinen.
    »Siehst du? So werden wir doch noch zu Faramunds Jüngern.« Ole schnallte den Rucksack ab und zog sich seinen langen Mantel aus.
    Jonas sah ihm fasziniert zu. Das also hatte Trut gemeint, als er von der Höhle sprach und dem, was sie brauchen würden. Sie würden als Jünger Faramunds in die Flüsterstadt einziehen! »Wo sind die her?«, fragte er, während Ole sich die Kutte über den Kopf zog. »Hast du sie hier versteckt?« Sein Respekt für Ole wuchs ins Unermessliche.
    »Nee.« Ole zupfte die Kutte zurecht. Noch hatte er die große Kapuze nicht aufgesetzt. Vom Hals aufwärts war er noch der alte, verstrubbelte Ole mit dem Ohrring. »Das sind Fiets Sachen. Er hat ein paar solche Lager.« Ole zog die Ärmel lang, seine Hände verschwanden. »Ich kenne sie alle.«
    »Fiet Finger?« Immer noch ein wenig zögerlich fasste Jonas nach dem Kuttensaum. Lunette, Leopold, Grimbert, Faramund, Fiet. Fünf von sieben.
    »Fiet Finger«, bestätigte Ole und wandte Jonas den Rücken zu, um Mantel und Rucksack in der Kiste zu verstauen. »Er lebt in der Flüsterstadt. Meistens jedenfalls. Was natürlich nur weiß, wer’s auch wissen soll.« Wie Ole das sagte, schien es nicht viel zu bedeuten, aber es bedeutete doch: Du weißt

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