Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts
Und ebenso wenig hatte er einen Arm übrig, um ihn Tabbi galant zu reichen. Peregrin Aber hielt diesen absonderlichen Brief, den Bror, der Fischer, angeschleppt hatte, mit gleich beiden Händen fest. Einmal nämlich lenkte ihn dieser Wisch von den schmerzhaften Stößen ab, die die rumpelnde Karre ihm verpasste. Und zum anderen sah es so zumindest ein bisschen danach aus, als gäbe er, mit den wichtigen Papieren betraut, trotz seiner misslichen Lage die Richtung vor.
Peregrin Aber stierte auf das Blatt und sehnte sich nach seiner roten Tinte. Achtung mit k zu schreiben und Palast mit h ! Mein Gott! Wie viele Rechtschreibfehler ließen sich auf so kleinem Raum noch unterbringen? Gegen den Verfasser dieser Zeilen war ja noch sein untalentierter Kanzleischreiber Werk ein wahrer Professor! Der Advokat blinzelte zu Tabbi hoch.
»Hören Sie, meine Liebe«, sagte er. »Wenn der in diesem Schreiben erwähnte Herr ein Marquis ist«, – Peregrin Aber hatte aus dem Markie des Schreibens mühsam auf einen Marquis geschlossen –, »dann muss sein Name französisch sein. Lunette . Das heißt Fernrohr auf Französisch. Wussten Sie das, Tabbi?«
»Nein, Herr Doktor.« Tabbis Stirn lag in Sorgenfalten. Sie beobachtete irgendetwas, was dort vorn auf dem Steg vor sich ging und Peregrin Aber verborgen blieb, weil die vorausgehende Tilla ihm die Sicht versperrte. »Meinen Sie denn, dass uns das hilft, Jonas zu finden?«, fragte Tabbi zweifelnd. Wie immer trug sie das Pappköfferchen des armen Jungen bei sich. Absurd, dachte der Advokat, wie sie an diesen Spielzeugfiguren festhält!
Peregrin Aber murmelte etwas in seinen Bart, er wusste selbst nicht genau, was. Tatsächlich wusste er überhaupt nicht, was er auf diesen Brief geben sollte. WiefLiNgeR, foRMaHLs RäuBeR … Was sollte das denn, bitteschön, heißen?
»Ah! Hallo!«, rief er dann mit der aufgesetzten Freundlichkeit eines Mannes, der zu seinem größten Unbehagen auf fremde Hilfe angewiesen war. Er hatte Kolman, diesen vermaledeiten Sonnenanbeter, entdeckt.
Kolman und Bror hatten – nicht unbedingt auf Peregrin Abers Geheiß, aber ihn in seiner Unpässlichkeit gewissermaßen vertretend – am frühen Nachmittag eine erste Fahrt zur Insel hinüber gewagt. Jetzt waren sie zurück, pünktlich, wie Peregrin Aber wohlwollend bemerkte. »Was«, rief er, »haben die Herren während ihrer Expedition in Erfahrung bringen können?«
Arne stellte die Schubkarre ab, und erst jetzt bemerkte Peregrin Aber den Unbekannten, der dort etwas ratlos zwischen Tilla, Kolman und Bror auf dem Steg stand. Was für ein seltsamer Zeitgenosse das war! Er trug eine grässlich gelbe Uniform und unter seiner soldatischen Mütze eine nachgerade lachhafte Perücke!
»Guten Tag«, sagte Peregrin Aber von seiner Schubkarre aus. »Wir sind einander noch nicht vorgestellt worden. Aber lautet mein Name. Ich bin Advokat.«
Der Gelbe sah ihn entgeistert an.
»Nun«, sagte Peregrin Aber ratlos.
Kolman sprang ein. Ausnahmsweise war ihm der Advokat dankbar. »Wahrlich!«, trompetete der Dorfälteste los. »Die Sonne hat uns den Weg zu diesem unserem Bruder geleuchtet!«
»Ach!«, sagte Peregrin Aber. Wobei die Rede von einem Bruder so abwegig vielleicht gar nicht war. Dachte man sich die Perücke weg und diese kuriose Kostümierung, sah der Gelbe den Dorfbewohnern nämlich wirklich ähnlich. Andererseits – sie ähnelten sich ja alle, irgendwie. »Der Mann kommt also von der Insel?«, fasste Peregrin Aber nach.
»Wir haben ihn dort gefunden«, mischte sich Bror jetzt ein. »Er ist wie wir! Bevor wir erleuchtet wurden. Er hat keinen Namen. Als wir ihn gefragt haben, wie er heißt, hat er bloß Acht gesagt.«
»Ge-ge-genau«, stotterte der Gelbe los. »A-A-A-Acht. Beim Abzählen war ich d-d-d-die Acht.« Er nickte bekräftigend.
Peregrin Aber beschloss, diese befremdliche Person vorerst nicht weiter zu beachten. »Und was«, sagte er an Bror gewandt, der ihm noch der Vernünftigste dieser drei zu sein schien, »haben Sie sonst noch auf der Insel gesehen?«
»Nicht viel«, murmelte Bror. »Wir haben ihn gleich am Ufer aufgegriffen, wo er das Abzählen übte. Als Kolman ihn angesprochen hat, wollte er gleich mit uns gehen. Er wolle nicht mehr auf der Insel bleiben, hat er gesagt. Aber er hat von einer Kaserne erzählt. Und von einem Schloss. Und von einer Kaiserin.«
»Von einer Kaiserin ?« Peregrin Aber fuhr hoch und spürte gleich wieder den verteufelten Hexenschuss. »Was für eine Kaiserin in
Weitere Kostenlose Bücher