Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts
es nicht – du gehörst nicht hierher .
»Ich dachte, Fiet wäre einer der Rebellen«, sagte Jonas, als hätte er Oles Spitze nicht bemerkt, aber er kam sich vor wie ein kleiner, dummer Junge.
»Ist er auch.« Mantel und Rucksack waren verschwunden, Ole baute sich wieder vor Jonas auf. »Fiet ist ein Spion, verstehst du? Er versteckt sich in der Flüsterstadt, damit die Rebellen Bescheid wissen, was da so vor sich geht. Fiet ist klein. In den Augen des Hirten geht er als Jünger durch.« Ole grinste wieder. »So wie du und ich. Das heißt, wenn du das Ding endlich anziehst.«
Fast überrascht sah Jonas auf die Kutte in seinen Händen und zog sie dann schnell über den Kopf. Der Stoff roch muffig und sauer.
»Perfekt.« Mit flinken Fingern zupfte Ole ihm die Kutte zurecht. Als könnte man in so einem Kleidungsstück gar nicht anders, verschränkte Jonas die Finger unter den langen Ärmeln.
»Wird Fiet uns helfen?«, fragte er. Das alles war mehr, als er zu hoffen gewagt hatte. Vielleicht waren die Rebellen ja stärker, als Lunette glaubte. Wenigstens waren sie gewitzt und arbeiteten im Geheimen.
»Wenn er kann.« Ole zuckte die Achseln. »Komm! Ich will dir was zeigen.« Das war wieder der andere Ole, der mit dem offenen Gesicht und der hellen Stimme, sein Freund.
Sie traten ins Freie hinaus und erklommen das felsige Dach der Höhle. Ole voraus, hinter ihm Jonas, der mit den langen Ärmeln kämpfte. Immer wenn er mit den Händen Halt suchte, waren sie ihm im Weg. Schließlich standen sie hoch oben auf einem schmalen Grat, unmittelbar über dem Höhleneingang. Der Blick reichte weit und dann tief in einen Talkessel hinab.
Die Flüsterstadt! Dort im Tal lag sie wie in der Mulde eines felsigen Nests. Jonas schluckte einen Kloß in seinem Hals.
»Wir sind fast da«, sagte Ole.
Aus der Höhe betrachtet wirkte die Flüsterstadt wie aus zweierlei Spielzeug gebaut. Auf der einen Seite ein kleinteiliges Gewirr aus Häusern, Gassen und Plätzen, alles in einem schäbigen, lehmfarbenen Braun – und daneben das Kloster, unberührbar schwarz und wie fettig glänzend. Es war so viel größer als die alte Stadt! Wie dicke Finger ragten die vielen, eigenartig verstreuten Türme aus der Mitte des Klosters auf, so, als wollten sie die streichholzdünnen Türme auf der anderen Seite der Stadt gleich zerbrechen. Wie ein in ruhiges Wasser geschleuderter Stein schien das riesenhafte, unüberschaubare Kloster ringförmige Wellen auszuschicken – hohe, tiefschwarze Mauern, die gegen das alte Callamaar brandeten. Die ursprüngliche Stadtmauer wirkte dagegen wie ein mürber Zaun, ihre Tore schienen für viel kleinere Menschen gebaut zu sein, als im Kloster wohnten. Jonas sah auf eine Stadt, die erstickte, und das Erste, was er empfand, war nicht Angst vor dem Hirten, sondern Trauer über das, was der Hirte angerichtet hatte.
»Callamaar«, sagte Ole mit bitterem Witz. Er fingerte auf seinem Rücken nach der Kapuze, und als er sie über seinen Kopf zog, kam es Jonas vor, als schlösse er wie ein Ritter das Visier. »Bist du bereit?«
Jonas sah noch einmal auf Stadt und Kloster hinab, als könnte er im Gewirr der Gassen oder im Labyrinth der schwarzen Mauern Ruben erspähen. Dann seufzte er und zog sich die Kapuze, so tief es nur ging, in die Stirn.
»Immer neben mir bleiben, hörst du?« Seltsam gedämpft drang Oles Stimme an sein Ohr. Zu jedem Schritt musste sich Jonas jetzt überreden, denn jeder Schritt brachte ihn dem Stadttor näher. Sein Mut sank, er konnte nichts dagegen tun.
»Kopf unten lassen und Hände wegstecken«, zischte Ole. »Es ist nicht schlimm. Sie reden nicht. Auch nicht miteinander. Du musst bloß die Klappe halten. Sie sprechen dich nicht an.«
Sie . Eine Gänsehaut kroch Jonas’ Nacken hinauf, die feinen Haare dort stellten sich auf. Über dem Tor, hinter brüchigen, lehmfarbenen Zinnen, standen zwei Jünger Faramunds Wache, beide reglos und schwarz. Jonas hätte nicht einmal sagen können, ob sie den Torweg wirklich im Auge behielten, so leblos wirkten sie. Aber was, wenn sie aufmerksamer waren, als sie wirkten? Was, wenn sie Jonas und Ole durchschauten?
Die Stadtmauer war nur noch einen Steinwurf entfernt. Vor langer Zeit musste sie weiß gewesen sein, ganz Callamaar war weiß gewesen, Ole hatte es auf dem Weg hierher erzählt. Jetzt waren die Steine von einer Schmiere aus Dreck und Staub überzogen und von den eisernen Torflügeln blätterte dunkelrot der Rost. Sperrangelweit standen sie offen, aber
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