Die unwillige Braut (German Edition)
du, Liebes?" wiederholte eine sanfte Stimme.
"Eric! Du hast mich erschreckt!"
"Verzeih. Ist jemand hier?"
"Nein, ich bin allein. Ich rede mit mir selbst. Komm herein."
Er schloss die Tür hinter sich und stand einen Moment mit ausgestreckter Hand da. "Hört sich merkwürdig an. Du packst?"
Rhoese nahm seine Hand und zog ihn vorwärts. "Ja. Sei vorsichtig. Nichts ist mehr da, wo es hingehört. Hinter dir steht eine Truhe. Setz dich."
"Deswegen bin ich gekommen. Wo ist das Buch? Du hast es wohl verwahrt, oder?"
"Ja, du sitzt darauf. Es ist bei meinen Kleidern, in Sicherheit. Aber du und Neal, ihr kommt nicht mit uns nach …"
"Nach Durham. Ja, ich weiß. Jude hat es mir gerade gesagt."
"Oh. Hat er das?" Ihre Stimme klang ausdruckslos und plötzlich distanziert. Sie war froh, dass ihr Bruder sie nicht sehen konnte, ebenso wenig wie das Behelfsbett. "Ich glaube, dir erzählt er mehr als mir."
"Schon gut, Liebes", sagte er und versuchte sie zu beschwichtigen. "Ich weiß, du findest es schwierig, nach allem, was geschehen ist, aber er ist kein schlechter Kerl. Ich denke, ich werde mich mit ihm gut verstehen, solange er freundlich ist zu meiner Schwester. Und wenn er das nicht ist, dann musst du es mir sagen und ich werde ihn gnadenlos verprügeln."
Sie konnte nicht anders, sie musste darüber lächeln. "Danke, Lieber. Unfreundlich war er nicht." Seine Gleichgültigkeit wird mich mehr verletzen.
"So gleichgültig wie du glaubst, ist er nicht."
Sie war es gewohnt, dass er ihre Gedanken lesen konnte. Manche nannten es das zweite Gesicht, aber Rhoese wusste es besser. "Meinem Besitz gegenüber verhält er sich ganz gewiss nicht gleichgültig", sagte sie und begann sich zu kämmen. "Was alles andere betrifft, so werden wir sehen. Eigentlich hatte ich vor", sagte sie und wechselte rasch das Thema, "das Buch hier bei dir zu lassen, aber das ist eine große Verantwortung, und genauso gut kann es da bleiben, wo es sonst auch immer war. Wenn wir es schaffen, es irgendwann nach London zu bringen, besteht durchaus die Chance, es wieder dem Kloster von Barking zu übergeben."
"Hat Erzbischof Thomas jemals danach gefragt?"
"Nur indirekt." Sie schob den Kamm zurück in ihre Gürteltasche, nahm ihr dickes Haar am Hinterkopf zusammen und teilte es in drei Strähnen auf. "Als Vater nicht zurückkehrte, schickte er mir sein Beileid, obwohl er auch recht interessiert an dem war, was Vater von seiner Reise mitgebracht hatte."
"Warum hat er nicht Warin gefragt?"
"Vermutlich hat er das, doch ich glaube, er wollte auch wissen, ob unsere Abrechnung stimmt. Aber außerdem hat er mich noch gefragt, ob Vater etwas hinterlassen hat, das er für uns aufbewahren soll. Natürlich nur vorübergehend." Sie lächelte, und Eric spürte das.
"Aber selbstverständlich vorübergehend. Gerissener alter Fuchs. Natürlich meinte er das Buch. Aber du hast ihm doch nicht erzählt, dass wir es haben, oder?"
Mit raschen Bewegungen flocht Rhoese sich einen Zopf. "Nein, Dummchen. Vater hatte es auf der vorherigen Reise mitgebracht, als der Erzbischof in London war, sonst hätte er es ihm gegeben."
"Und wäre dafür nicht bezahlt worden."
"Gewiss nicht", stimmte sie zu. "Über so etwas sind Erzbischöfe erhaben."
"Hast du je die Geschichte des Buches erfahren?"
"Oh ja. Es fing an, bevor du geboren wurdest. Als der erste normannische König nach der Schlacht bei Hastings 1066 in Barking Abbey blieb, litten er und seine Armee an einer Darmkrankheit. Als der König nach ungefähr drei Wochen abzog, nahm er einiges mit, von dem seine habgierigen Adligen glaubten, sie hätten das Recht dazu. Dinge, die der Abtei geschenkt worden waren und die die Nonnen selbst gefertigt hatten. Unter den Schätzen, die sie mitnahmen, war auch das Evangeliar, aber der Unhold, der es gestohlen hatte, verkaufte es an einen norwegischen Händler. Die Äbtissin legte bei Erzbischof Thomas Protest ein."
"Warum nicht beim Erzbischof von Canterbury?"
"Seine Stellung war zu unsicher, Lieber. Als Angelsachse wollte er keinen Ärger mit den Normannen haben. Trotzdem hat er sein Amt kurz darauf verloren."
"Daher bat Erzbischof Thomas unseren Vater, nach dem Buch zu forschen."
"Ja, auf seinen Reisen nach Norwegen. Und tatsächlich fand er denselben Händler und kaufte das Buch zurück. Dann nahm er es mit nach Hause."
"Während der Erzbischof in London war."
"Genau", sagte sie und befestigte ihren Zopf mit einem Band. "Es sollte hier bleiben, bis er nach York zurückkehrte,
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