Die unwillige Braut (German Edition)
Interesse an ihr würde, wie es schien, mit den Stunden der Nacht kommen und gehen, während dieser Mann immer zu ihrer Verfügung stehen würde. Und sie würde jeden guten Rat brauchen, den man ihr geben konnte. Mehr noch, wenn sie irgendwie auch nur die Spur von Eifersucht in ihrem Gemahl wecken konnte, dann würde das mit der engen Freundschaft mit Master Flambard geschehen. Tatsächlich würden sie ein schönes Paar abgeben. Was diese Freundschaft sonst noch mit sich bringen würde, das bliebe abzuwarten, aber was immer es sein mochte, sie würde damit fertig werden.
"Wie Ihr es sagt, Master Flambard, werde ich guten Rat in so vielen Bereichen benötigen, und nur ungern würde ich mit meiner Unwissenheit peinliche Situationen heraufbeschwören wollen. Ihr könntet mir zum Beispiel sagen, wer all die Leute sind, und mich kurz ins Protokoll einführen. Ich weiß, wie wichtig das ist." Bescheiden senkte sie ihren Blick zwischen die Ohren ihres Pferdes und wartete auf eine Bestätigung dieser Vereinbarung. Als keine Antwort erfolgte, warf sie einen Seitenblick auf das Profil ihres neuen Freundes und sah zu ihrem Erstaunen, dass er breit grinste. "Exzellent", sagte er, aber so leise, dass sie es beinahe nicht gehört hätte.
Bruder Alaric, dessen Kommentar sie erahnen konnte, blieb so reglos wie üblich. Aber das lag an seiner strengen Disziplin und daran, dass er als Einziger die Möglichkeit hatte, mit ihr allein zu sprechen, ehe sie sich noch weiter unter den Einfluss dieses Mannes begab.
Zum Glück musste Rhoese nicht vorgeben, ihn, Ranulf Flambard, zu mögen, denn sie stellte fest, dass es nicht schwer war, mit ihm zu sprechen oder ihm zuzuhören, und während der ersten beiden Stunden dieser feuchten Reise hatte er ihr alles erzählt über das scheinbar unendliche Netzwerk der Offiziere, Marschälle, Wachtmeister und Wärter, deren Beziehung zum König von Eifersüchteleien geprägt war. Gleichzeitig erkannte sie, dass die Stellung Master Flambards am Hofe des Königs sehr wichtig war und dass er sie sehr ernst nahm.
"Wie kommt der König denn dann ohne seinen Beichtvater zurecht?" fragte sie.
"Oh, er hat mehrere Geistliche. Wir wechseln uns ab im Dienste Seiner Hoheit. Allerdings hat er nur einen einzigen Bewahrer des königlichen Siegels." Flambard klopfte auf die Ledertasche an seiner Hüfte und schenkte ihr ein breites Lächeln, das seine weißen, ebenmäßigen Zähne sehen ließ. "Es wird ihm bis zu unserer nächsten Begegnung nicht fehlen."
"Nein? Warum nicht?"
"Die Jagd, Mylady. Die Leidenschaft des Königs gilt der Jagd mehr als den Staatsgeschäften."
"Und Ihr, Master Flambard? Teilt Ihr diese Leidenschaft Eures Königs denn nicht?"
"Meine Leidenschaft gilt der Politik. Und natürlich der Kirche."
Bruder Alaric, der das Gespräch mit anhörte, hätte es wohl anders ausgedrückt: Macht, mein Freund. Eure Leidenschaft gilt der Macht.
Da die Ochsengespanne die Geschwindigkeit bestimmten, schaffte der Zug nicht mehr als vielleicht zwanzig Meilen in der Stunde bis zur Brücke an der Grenze. Inzwischen hatten die Wolken sich verzogen, und das letzte Licht des Tages brach durch. Jude war seinen Pflichten nachgegangen, so dass er kaum Kontakt mit Rhoese gehabt hatte, und das wenige beschränkte sich auf prüfende Blicke und den knappen Befehl, nicht zurückzubleiben. Mit Flambard besprach er die Strecke und die Rastplätze. Sie beschlossen, Boten vorauszuschicken, um die Bewohner des Herrenhauses in dem alten Römerdorf Aldborough vorzuwarnen, dass sie in Angelegenheiten des Königs Gastfreundschaft beanspruchen würden.
Es lag weniger an der Aussicht auf Ruhe und Essen, die Rhoese mit einer Art schuldbewusster Erwartung erfüllte, als vielmehr auf die Möglichkeit, Jude endlich für sich allein zu haben. Und obwohl sie versuchte, ihre Aufregung zu unterdrücken, denn eigentlich mochte sie diesen Mann ja gar nicht, es gelang nicht. Doch Judes Interesse galt nicht Rhoese, sondern zielte auf seinen Freund Ranulf, auf Bruder Alaric, auf ihren normannischen Gastgeber und dessen schwangere junge Frau, auf alles und jeden außer auf sie. Wenn er, so dachte sie, bis zur letzten Minute wartet, so werde ich ihm keine Gelegenheit mehr bieten, denn dann werde ich mich eben frühzeitig mit Hilda und Els in unsere Kammer zurückziehen. Um nichts in der Welt hätte sie zugegeben, auf seine Gesellschaft Wert zu legen.
"Wartet!" In dem dunklen Durchgang verursachte sein Befehlston ihr einen Anflug von Panik.
Die
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