Die unwillige Braut (German Edition)
ehrgeizige Kaplan des Königs, war ausgesprochen hartnäckig und versuchte während des Abends mehrmals, Rhoese von Jude fortzulocken zu einem privaten Tête-à-tête. Aus verschiedenen Gründen fruchtete seine Taktik weder bei der Ehefrau noch bei dem Ehemann, und schließlich wurde sie mit einer Entschiedenheit an Bruder Alaric übergeben, die Master Flambards Bemühungen ein Ende setzte. Die Lady würde ihre Gebete sprechen und dann ins Bett gehen, erklärte ihm Jude.
Obwohl sie tief in ihrem Innern erleichtert war, konnte Rhoese nicht widerstehen, ein Wort an Bruder Alaric zu richten, das eine gewisse Empörung ausdrücken sollte. "Seit meiner Kindheit hat mir niemand mehr gesagt, wann ich zu Bett gehen soll", bemerkte sie auf Englisch. "Wird man mir als Nächstes sagen, was ich zu denken habe?"
Bruder Alaric räusperte sich und warf einen warnenden Blick hinüber zu Jude. "Die Wünsche Eures Gemahls müsst Ihr in jeder Hinsicht berücksichtigen, Mylady. Ihr solltet ihm eine gute Nacht wünschen. In seiner Sprache."
"Ihr meint, ich soll zurück in die Halle gehen und dieses dumme Kind angaffen."
"Henrietta ist soeben mit ihren Schwestern gegangen. Warum interessiert Euch das?"
"Das tut es nicht."
Jude schien die Geduld zu verlieren. "Sprecht Französisch", verlangte er.
"Nein, Ihr solltet Englisch sprechen", sagte Rhoese und ging davon. "Ihr seid in England."
Danach dauerte ihre Sitzung mit dem Kaplan länger als gewöhnlich, obwohl Bruder Alarics Worte über den Respekt einer Ehefrau sie nicht dazu brachten, ihm glaubhaft Besserung zu geloben. Schlaflos und ohne etwas zu bereuen lag sie im Bett und fürchtete den Rest der Reise. Wenn der Normanne, so dachte sie, eine sanfte und willfährige Ehefrau wünscht, dann hat er die falsche Frau gewählt. Allerdings wollte sie die angedrohten Schläge nicht als bloßes Gerede abtun, denn auch wenn sie kein Feigling war, so war sie doch nicht dumm.
Nachdem der Kaplan sie gescholten hatte, erwarteten Hilda und Els Zeichen von Verunsicherung. Ihre Ehe mit dem charismatischen Normannen hatte offensichtlich in den letzten Tagen nicht viel für ihre Nerven getan, daher waren sie nicht sehr überrascht, als sie die Anweisung, ins Bett zu gehen, nicht befolgte, sondern stattdessen ihre Aufmerksamkeit dem Evangeliar widmete.
Sie hatten es schon vorher gesehen, aber jetzt waren das Leder und der juwelenbesetzte Einband schwarz vor Feuchtigkeit, und die Ränder vieler Seiten wellten sich, so dass es unmöglich geworden war, das Buch ordentlich zu schließen. Zum Glück war die Tinte nicht verlaufen, so machte Rhoese sich daran, zwischen die einzelnen Blätter Leinenfetzen zu legen, die sie von einem alten Hemd abriss, damit die Seiten nicht zusammenklebten. Mehr konnte sie nicht tun.
Jetzt schien es beinahe unvermeidlich, dass Judes Cousin, der Bibliothekar, das Buch zu sehen bekommen würde, und sei es auch nur, um dauerhafte Beschädigungen zu vermeiden. Aber ebenso sicher schien es, dass Jude nicht sehr neugierig darauf war, sonst hätte er gewiss mehr Interesse gezeigt. Daher entschied sie, ehe sie ins Bett ging, das Buch für den nächsten Abschnitt ihrer Reise in ihre Satteltasche zu legen.
Wie sich herausstellte, wurde die Reise um einen Tag aufgeschoben, als man bemerkte, dass der Wagen eine neue Achse brauchte, die in Hubert de Trailles Werkstatt gefertigt werden konnte. Und da Count Alan of Richmond sowohl Huberts als auch Judes Dienstherr war, oblag es ohnehin seiner Pflicht, seine Gastfreundschaft und auch seine Hilfe anzubieten. Ein Tag mehr, so sagte Jude, würde ihnen erlauben, alles zu trocknen, sich auszuruhen und die gelockerten Hufeisen der Pferde neu zu beschlagen.
Rhoese hatte keinen Grund, sich darüber zu beklagen, und machte sich auf den Weg zum südlich gelegenen Garten Alicia de Trailles, wo die Obststräucher schwer waren von Beeren und Regen. Sie spürte die Morgensonne auf ihren Schultern, die mehr Wärme für den Tag versprach. Dampf stieg von den Mooskissen auf den Dächern hoch und von den Dunghaufen vor den Ställen im Hof.
Sie wählte den mit Stroh aufgeschütteten Weg, in einiger Entfernung gefolgt von Els und den beiden jüngeren Töchtern, deren Geschnatter sich vermischte mit den Rufen der Männer, dem Gebell der Hunde, dem Gebrüll der Ochsen, dem lauten Schelten aus der Küche, dem Geschrei der Gänse und dem Hämmern der Schmiede. Zwei Eichhörnchen liefen ihr über den Weg und verschwanden im dahinter liegenden Obstgarten,
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