Die unwillige Braut (German Edition)
sehr gesprächig. Das weiß ich aus Erfahrung." Er hatte bereits begonnen, das Leinen von dem Buch auf seinem Schoß abzuwickeln. Die Edelsteine spiegelten das Licht der Flammen wider und zauberten bunte Farben auf die goldenen Fassungen. Jude hielt es hoch und drehte es hierhin und dorthin. "Himmel", flüsterte er. "Woher ist das?"
"Ich denke, mir macht seine Gesprächigkeit nichts aus", erwiderte Rhoese und blieb auf Distanz. "Das würde mir sogar besser gefallen, als einfach nur ein Anhängsel bei einem Gepäckwagen zu sein."
Lächelnd schloss Jude das Buch und streckte ihr eine Hand entgegen. "Kommt her", sagte er. "Kommt schon. Ich werde nicht zulassen, dass Ihr zu Flambard geht und damit basta. Er hat Eure Gesellschaft zwei Tage lang in Anspruch genommen, und nun bin ich an der Reihe. Kommt zu mir."
Verärgert wandte Rhoese den Blick ab. Sie bebte vor Zorn. "Ich lasse mich nicht weiterreichen", rief sie. "Ich bin Lady Rhoese of York und ich habe Euch heute das Leben gerettet, Sir. Ich schätze es nicht, wenn Ihr mich mit ein paar erinnerungswürdigen Augenblicken in Eurer Gesellschaft beschenken wollt, wann immer Euch der Sinn danach steht. Nehmt das verfluchte Buch. Alles gehört Euch, aber erwartet bitte nicht, dass ich mich zu Euch setze und mich dankbar zeige, wenn ich endlich an der Reihe bin. Mit Worten seid Ihr so ungeschickt wie mit Euren Händen, Sir, und Euch wird kaum der Gedanke gekommen sein, dass das, was heute geschehen ist, Eure Schuld gewesen ist. Bei Euch war ich heute schon an der Reihe, und ich habe es nicht halb so sehr genossen wie Master Flambards Respekt. Für ihn bin ich eine Lady. Für Euch nur eine weitere Frau. Und jetzt lasst mich bitte allein, wenn es Euch beliebt."
Sehr langsam legte er das Buch beiseite und erhob sich. Er lächelte nicht mehr, stattdessen drückte seine Miene etwas aus, das an Zärtlichkeit erinnerte, hätte sie es nicht besser gewusst. "Und Ihr habt mich angefeuert", sagte er. "Habt Ihr gelogen, Lady, oder wolltet Ihr wirklich, dass ich Euch höre?"
Sie drehte sich weg, als er die Hand nach ihr ausstreckte, aber er war zu schnell, und so musste sie stehen bleiben, bebend vor Zorn. "Die dummen Spiele der Männer", sagte sie und versuchte, ihren Arm zu befreien. "Was spielt das für eine Rolle? Ja, es war eine Lüge, um das Gesicht zu wahren, mehr nicht. Es wäre auf mich zurückgefallen, wenn ich es nicht getan hätte. So. Das ist die Wahrheit."
Er zog sie zu sich heran, als wäre sie ein Fisch an der Angel. "Das stimmt, meine Schöne. Das kann ich akzeptieren. Solange Ihr mir sagt, was wahr ist und was gelogen, wenn ich Euch frage, dann bin ich erst einmal zufrieden. Ja, ich muss für diesen Nachmittag eine gewisse Ungeschicklichkeit eingestehen, aber es wird in der Öffentlichkeit nie wieder vorkommen. Mein Wort darauf. Haltet still, Rhoese." Er zog ihre Handgelenke an seine Brust und hielt sie fest. "Aber darauf kommen wir später zurück."
"Darauf werden wir später nicht zurückkommen."
"Zuerst möchte ich etwas über das Buch wissen. Woher habt Ihr es? Zeigt Ihr es mir? Ich bin bereit zuzuhören."
"Ha! Ein Buch ist also nötig, damit Ihr zuhört, nicht wahr, und eben gerade war das noch keine besonders originelle Methode. Nun, es scheint ja funktioniert zu haben, abgesehen davon, dass es nichts gibt, über das ich mit Euch sprechen will."
"Nun, Mylady, wenn Ihr heute noch ins Bett gehen wollt, dann werdet Ihr genau das tun. Kommt schon." Ein Handgelenk ließ er los und zog sie mit dem anderen zur Bank, wo er ihre Schultern niederdrückte. "Eure Zunge habt Ihr an mir schon gewetzt, jetzt zeigt mir, was sie kann."
Er hatte das Buch wieder auf seine Knie gelegt, als er den edelsteingeschmückten Deckel anhob, unter dem die zerknitterten Schichten aus Pergament lagen, mit Leinenstreifen zwischen den Seiten, damit sie nicht zusammenklebten. Jedes Blatt war ein Meisterwerk der Kalligraphie, jedes einzelne zeugte von wochenlanger, geduldiger Arbeit und präsentierte die besten Fähigkeiten, über die der Künstler verfügte. Dabei war es nicht größer als eine Schmuckkassette und nur drei Zoll dick, doch es enthielt alle vier Evangelien in lateinischer Sprache, in schöner, runder Schrift geschrieben, reich umrahmt, mit großen Initialen und Überschriften versehen. Auf jeder Seite schimmerten viele Farben, der Text war vom Wasser nicht beschädigt worden, die Tinte war noch so schwarz wie eh und je, die Blattgoldverzierungen so leuchtend, die
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