Die unwillige Braut (German Edition)
infrage kam, musste ich es sein."
"Ein weiser Mann, Euer Vater", sagte Jude und nahm das Buch. "Gibt es noch etwas, das ich darüber wissen sollte, ehe ich es den anderen zeige?"
"Nein … nur …"
"Nur was?"
Sie sah zu, wie die letzten trägen Flammen über dem zerfallenden Holz flackerten. Nur wenig konnte sie jetzt noch sagen, um alles Weitere zu beeinflussen. "Nur, dass Ihr – solltet Ihr meinen Vater wirklich für weise halten – vielleicht überlegt, ob Ihr nicht seinen Wunsch respektieren und das Buch in englischen Händen lassen solltet."
Jude schwieg einen Moment lang, und Rhoese war sicher, dass er darüber nachdachte, obwohl sie auf seine Frage nicht vorbereitet war. "Rhoese", sagte er schließlich, "es ist jetzt mehr als zwanzig Jahre her, dass dieses Buch Barking Abbey verlassen hat, und seither hat sich vieles verändert. Ist es nicht möglich, dass sie es nach all der langen Zeit vergessen haben?"
"Das ist vielleicht möglich. Es ist eine Weile her, seit Erzbischof Thomas meinen Vater bat, nach dem Buch zu suchen, und seither kann alles Mögliche geschehen sein. Aber ich glaube immer noch, dass es eher dorthin gehört als irgendwo anders."
Jude ließ das Thema fallen. "War Euer Vater ein guter Ehemann?"
Das war eine weitere unerwartete Frage, auf die Rhoese überraschenderweise keine Antwort parat hatte, trotz der Liebe, die sie für ihn empfunden hatte. Kettis lautstarke Klagen kamen ihr in den Sinn, aber hatte das mehr mit Gamals häufiger Abwesenheit von zu Hause zu tun als mit ihrer von Natur aus üblen Laune? Hatte er nicht seine mutterlosen Kinder monatelang allein gelassen, wenn er genauso gut einen anderen hätte schicken können? Und hatte er sie über Warins Unzuverlässigkeit im Hinblick auf Frauen aufgeklärt, als er dazu Gelegenheit hatte? Hatte er es nicht ihr überlassen, sich um Erics Zukunft zu kümmern? Brachten die ewigen Abenteuer ihres Vaters nicht ein starkes Element von Unbeständigkeit mit sich, die Kettis Zuneigung bald erstickt hatte?
"Ich habe ihn lieb gehabt", erklärte sie schließlich. "Das zumindest weiß ich."
Vielleicht lag es an diesem Gespräch über ihren Vater, vielleicht an dem gefühlsbeladenen Tag, oder an der wärmenden Dunkelheit und der Nähe dieses Mannes, die jetzt ihren Tribut verlangten, vielleicht auch an der unwillkommenen Ahnung, dass es einen weiteren Streit mit ihm geben könnte, den sie auf der einen Seite nicht gewinnen, auf der anderen aber auch nicht verlieren wollte. Vielleicht lag es auch an ihrem verletzten Fuß, den der Stier erwischt hatte, oder an einigen anderen Schmerzen, zu denen auch ihre zerschrammten Fingerknöchel gehörten, die sie schwanken ließen, als sie sich mühsam erhob, so dass sie eine Hand ausstreckte, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen.
Sofort war Jude aufgestanden und stützte sie, den Arm um ihre Taille gelegt.
"Kommt, Lady, ich denke, für einen Tag habt Ihr genug Fragen beantwortet. Es ist Zeit für Euch, zu Bett zu gehen." Er hielt sie fester.
Aber für Rhoeses aufsässigen Verstand konnte das nur eines bedeuten, und trotz ihrer Erschöpfung brannte die Flamme der Rebellion noch heiß genug, um sie zum Widerspruch zu veranlassen. Sie versuchte, sich seinem Griff zu entziehen, doch er berührte eine vergessene Prellung an ihrer Seite, und statt der ablehnenden Worte stieß sie einen Schmerzenslaut aus, ehe sie es verhindern konnte. Sie packte seinen Arm und schob ihn beiseite. "Geht!" schrie sie. "Geht … ehe … ehe Ihr noch mehr Schaden anrichtet!" Vor Schmerz traten ihr Tränen in die Augen, die sie rasch mit dem Handrücken abwischte. "Bitte, lasst mich in Ruhe."
Obwohl es zu spät war für Streitgespräche, gestattete Rhoeses verletzter Stolz es ihr nicht nachzugeben, als Jude sie mit schierer Kraft und Entschlossenheit zu besiegen schien. "Du bist verletzt, tapferes Mädchen. Du hast mir nicht alles gesagt, oder?" Er zog sie in seine Arme und hob sie trotz ihrer Gegenwehr hoch wie ein Kind.
"Nein, lasst mich. Hilda und Els werden …"
"... werden woanders schlafen. Du brauchst mich."
"Nein! Ich brauche Euch nicht! Lasst mich herunter!"
"Das werde ich. Und dann werde ich nach den verletzten Stellen suchen." Er legte sie aufs Bett, ohne sie loszulassen.
"Nein, bitte nicht!" flüsterte sie. "Es ist nichts."
Er nahm ihre Hände und hielt sie fest, während sie sich immer noch wehrte. Ihr Haar hatte sich gelöst und umgab sie wie ein Heiligenschein aus roten Locken, ihre großen, dunklen
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