Die unwillige Braut (German Edition)
glaubte, sie würde ihn wirklich lieben, nach all ihren Drohungen und Vorhersagen. Schlimmer noch, wie würde er spotten, wenn er wüsste, dass sie all diese Qualen durchlitt, die eigentlich für ihn bestimmt gewesen waren, weil sie ihre eigene Medizin geschluckt hatte.
Die Situation in der vergangenen Nacht hatte auch nicht viel zu ihrem Seelenfrieden beigetragen, als die Männer eine englische Familie aus ihrem Haus in Bishop's Oakland vertrieben hatten, damit sie es beziehen konnten. Sie war sehr aufgebracht deswegen, konnte aber kaum etwas dagegen tun. Sie hatten die Nacht in einer strohgedeckten Halle verbracht, die sie an ihre eigene in Toft Green erinnerte, in einzelne Kammern mit Vorhängen unterteilt, durch die das Licht des Feuers schimmerte. Auf einem Stapel von Fellen hatte sie in Judes Armen geschlafen, hatte jedes Husten, jedes Schnarchen und jedes Gemurmel von den anderen gehört und gefürchtet, dass diese ebenso jede ihrer eigenen Aktivitäten hören würden. Abgesehen von ein paar intimen Zärtlichkeiten gab es keine Aktivitäten, aber Judes geflüsterte Erinnerung, dass sie ihn brauchte, vermittelten ihr wenig Grund zu der Hoffnung, dass seine Gefühle so beteiligt waren wie ihre. Er hatte Recht. Sie brauchte ihn.
Als sie zum letzten Teil ihrer Reise aufbrachen, hatte Rhoese mit den feindseligen Blicken der enteigneten Familie vor Augen sich bemüht, gleichzeitig entschuldigend und hilflos auszusehen. Diesmal hatte sie es nicht gewagt, Geld anzubieten, denn sie war sicher, dass man es ihr ins Gesicht schleudern würde. Gegen Mittag dann hatten sie Durham erreicht und wurden im Palast des Bischofs einquartiert, der nach dem berüchtigten Brand von 1069 wieder aufgebaut worden war. Damals waren nach echter angelsächsischer Manier nicht nur das Gebäude, sondern auch die Männer darin dem Feuer übergeben worden. Alle, die damals umkamen, waren Normannen gewesen, dazu gehörte auch der brutale neue Gouverneur, der geschickt worden war, um die rebellischen Nordmänner auf ihre Plätze zu verweisen. Dieser Racheakt hatte die volle Macht von König Williams Armee auf den Plan gerufen, die jedes Dorf auslöschte, jedes menschliche Wesen, Tier und Gewächs zwischen York und dieser spektakulären Stadt Durham. Neunzehn Jahre später war das Land noch immer damit beschäftigt, sich zu erholen, und obwohl Rhoese zu jung war, um sich daran zu erinnern, gab es genügend Menschen in York, die das taten und gelobt hatten, niemals zu verzeihen. Abgesehen von ein paar Renegaten aus der Nähe von Ely und ihrem Anführer, einem Mann namens Hereward, war dies der letzte Aufstand gegen den neuen normannischen König gewesen, obwohl niemand zu sagen wusste, wie viele Pläne daran gescheitert waren, dass nicht genügend Geld vorhanden war, um eine Armee aufzustellen.
Der neue Palast des Bischofs war ein weitaus festerer Bau als der vorherige: Dicke Steinmauern und Rundbögen gestützt von schweren, verzierten Säulen, massive Holzdecken und Steintreppen, die von außen in den ersten Stock führten, wo es Hallen, Seitenräume, Kapellen und Arbeitszimmer gab. Rhoese konnte nicht umhin, diese solide Großartigkeit zu vergleichen mit ihrer eigenen engen, heimeligen Halle, der Kemenate, den einfachen Ställen, Speichern und Werkstätten.
Niemand hatte erwartet, dass der abtrünnige Bischof ihnen zur Begrüßung entgegenkommen würde, aber er tat es, als hätte er von ihrer Ankunft gewusst. Und das hatte er auch, durch ein kompliziertes Netz von Boten, die üppig bezahlt wurden dafür, dass sie ihn wissen ließen, was vor sich ging und was demnächst vor sich gehen würde. Als wäre nichts geschehen, lächelte er der Invasion von Reitern, Ochsenkarren und Packpferden höflich entgegen, die um die Mittagszeit in seinen Hof strömten. Vor allem Rhoese schenkte er ein warmherziges Lächeln, denn er war ein Bewunderer schöner Frauen, und kein Außenstehender hätte an seiner Begrüßung erkannt, dass er wegen Verrats eingesperrt werden sollte.
Es war Zeit für ein Mittagessen, und auch hier gab es keine Anzeichen dafür, dass ihre Ankunft den Köchen auch nur das kleinste Ungemach bereitete, oder dass die Aufstellung von hundert Sitzgelegenheiten mehr den Kammerherrn in Aufregung versetzt hätte. Und falls Rhoese erwartet hatte, hier die einzige Dame zu sein, so zeigte sich, was für ein Mann der Bischof war, als er ihr Anneys d'Abbeville vorstellte, vor deren hoheitlichem Benehmen und betörend gutem Aussehen die
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