Die unwillige Braut (German Edition)
sicher sein, dass das nicht umsonst ist."
"Er hat mir bereits etwas geraten, Bruder."
"Was?"
"Es betraf meinen so genannten Ruf. Ihr wisst, was man sich erzählt?"
"Ja. Welche Art von Rat?"
"Nicht zu leugnen, sondern die Macht zu nutzen, die so ein Ruf mit sich bringt."
"Die Macht. Ja, natürlich. Aber solange Ihr sie für einen guten Zweck nutzt, nicht für Böses. Ich hoffe, das hat er auch gesagt?"
"Ja, das hat er." Hatte er das wirklich? Sie konnte sich nicht erinnern.
"Nun, genau das macht Ihr doch, oder? Die Asche der Schlangenhaut, die Ihr gefunden habt, habt Ihr gestern benutzt, um eine Wunde zu behandeln, oder? Und Ihr habt Schwarzbeeren gepflückt, um Neds entzündeten Hals zu heilen, und es hat funktioniert. Und denkt daran, wie sich heute Morgen eine Drossel auf Euren Finger gesetzt hat. Ich habe noch nie gesehen, dass jemandem so etwas gelang, und die anderen auch nicht. Sie waren beeindruckt, aber lasst Euch das nicht zu Kopf steigen."
"Und wie soll ich Anneys d'Abbeville betören? Indem ich nett zu ihr bin?"
"Natürlich, Lady. Ihr seid Judes Gemahlin. Ihr habt nichts zu befürchten. Sie ist nur die Mätresse eines abgesetzten Bischofs, und es würde mich überraschen, wenn sie nicht die Verbitterung spürt, die solche Unsicherheiten mit sich bringen. Wenn dieses Jahr vorbei ist, wird sie weitaus mehr verloren haben als Ihr, und ihre Biografie wird danach nicht sehr gut aussehen, oder? Außerdem verliert sie allmählich ihre Schönheit."
Diese Bemerkung löste Rhoeses Anspannung und entlockte ihnen beiden ein schuldbewusstes Lachen. Leicht berührte er ihren Arm mit den Fingerspitzen. "Ihr braucht Euren Gemahl", sagte er, als sie wieder ernst wurden. "Ihr könnt es Euch nicht leisten zurückzuweisen, was er Euch bietet, Mylady."
"Ja, Bruder. Aber ich weiß so wenig über ihn. Absichtlich habe ich nicht gefragt, um zu zeigen, wie wenig es mich interessiert."
"Nun, wenn Ihr davor zurückschreckt, ihn zu fragen, dann wendet Euch an seinen Cousin. Während wir hier sind, werden wir ihm das Evangeliar bringen. Gewiss wird das Thema aufkommen."
"Ihr begleitet mich doch, oder?"
"Natürlich. Und jetzt, schlage ich vor, lungern wir nicht länger hier herum, sondern gehen zum Essen. Ihr benehmt Euch wie die perfekte Gemahlin und ich mich wie der perfekte Geistliche."
"Ja, Bruder." Sie erwiderte sein Lächeln. "Gebt mir einen Moment Zeit. Ich muss mich sammeln, um mich entsprechend verstellen zu können."
Wäre Prior Turgot nicht in der Kathedrale anderweitig beschäftigt gewesen, hätte er die Reisenden aus York gemeinsam mit dem Bischof begrüßt. Die Entschuldigungen, die er ihnen beim Essen präsentierte, waren genau richtig bemessen, ernsthaft, aber nicht kriecherisch. Bruder Alaric brachte ihm sogleich jene Sympathien entgegen, die er für Master Flambard nicht aufzubringen vermochte. Dass er aus Lincoln stammt, so sagte sich der Kaplan, hat damit gewiss nichts zu tun, genauso wenig wie die Tatsache, dass er nach dreizehn Jahren als Mönch vor einem Jahr zum Prior gewählt wurde. Dieser kometenhafte Aufstieg würde sogar Flambard Respekt einflößen.
Auch Rhoese war von dem Benediktinerprior beeindruckt, der einst einer der Lordrichter von Lincoln gewesen war, dann wie sie von den Normannen enteignet und von einer normannischen Familie ersetzt worden war. Er hatte sich den Eindringlingen widersetzt und war von ihnen festgehalten worden, ehe er sich in Northumberland als Mönch niederließ, und obwohl seine Fähigkeiten in allem sichtbar wurden, was er tat, stand seine einnehmende Bescheidenheit in starkem Kontrast zu Flambards Brillanz.
Am Tisch saß der Prior neben Rhoese, Jude auf ihrer anderen Seite, und sprach mit ihr in ihrer Muttersprache. "Ja, enteignet, Mylady", wiederholte Prior Turgot und lächelte über ihr Erstaunen. "Meine Familie besaß Ländereien in Oxfordshire , hier im Norden und auch in Lincolnshire . So etwas geschieht", sagte er bedauernd. "Man muss es akzeptieren und weitermachen."
All dieses Gerede übers Weitermachen. "Das ist sehr bemerkenswert", erwiderte sie. Während sie beobachtete, wie er mit seinen geschundenen Händen ein Stück Brot zum Mund führte, konnte sie sich vorstellen, wie er um das gekämpft hatte, was dem Gesetz nach ihm gehörte. Er besaß ein starkes Gesicht mit tiefen Furchen, die Haut gezeichnet von Leben, Liebe und einem harten Dasein. Aus grünen Augen sah er sie an, während er kaute und schluckte. "Nein, Lady", widersprach er ihr
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