Die Unzertrennlichen
eingefettet. Im Lauf der Jahrzehnte und Jahrhunderte waren viele Füße darüber gegangen. Es dauerte eine Weile, bis ich mich an die schlechte Beleuchtung in dem alten Gewölbe mit den feuchten braunroten Ziegelwänden und dem gestampften Lehmboden gewöhnt hatte, wo es stark nach Moder, nach dem Holz der Fässer und nach Wein roch. Stefan leerte einen Teil der Trauben in zwei große Holzbottiche.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte ich.
Er lachte.
»Du hast wirklich wenig Ahnung von der Winzerei«, sagte er. »Kaum zu glauben, dass deine Großeltern Weinbauern sind. Jetzt maischen wir. Ich mache das noch auf die altmodische Art.« Er griff nach einem Paar grüner Gummistiefel, die neben einem Regal mit Weinflaschen standen, und warf sie mir zu. »Fang auf!«, rief er. »Du hast doch dieselbe Schuhnummer wie Regina, nicht? Zieh sie an. Und dann steig in den Bottich.«
Es war ein merkwürdiges Gefühl, mit nackten Füßen in Reginas Stiefeln zu stecken und die Trauben zu zertreten. Ich blickte auf die Kuppen und konzentrierte mich. Stefan summte vor sich hin.
»Hilfst du mir noch beim Pressen?«, fragte er nach einer Weile.
»Wenn du willst«, sagte ich.
Da trat er aus seinem Bottich und stieg in meinen. Darin war nicht viel Platz für zwei. Er legte seine Hand leicht auf meine Taille, ergriff meine Rechte mit seiner Linken und hob und streckte sie, wie bereit zu einem Tanz.
»Dann musst du über Nacht bleiben«, flüsterte er mir ins Ohr und drehte mich langsam einmal in dem Traubensumpf herum.
Wir saßen in der Stube, Stefan am Tisch und ich mit angezogenen Beinen und barfuß in dem mit dunkelblauem Leder bezogenen Schaukelstuhl neben dem Regal mit den CD s. Ich hatte geduscht und mir die Haare gewaschen und war in den langen weinroten Hausmantel geschlüpft, der an einem Haken im Badezimmer hing. Es war still. Vor den Fenstern war es dunkel geworden. Ich blätterte entspannt in einem Buch über Weinbau. Etwas von der alten Vertrautheit zwischen uns hatte sich eingestellt.
»Angenehm, dein Kimono«, sagte ich und zog den Gürtel ein wenig enger.
»Es ist nicht meiner«, entgegnete Stefan, ohne mich anzusehen. »Er gehört Regina.«
Natürlich.
»Entschuldige, das habe ich – Ich ziehe ihn –«
»Nein, nein«, unterbrach Stefan. »Behalte ihn an, er steht dir. Nimm ihn mit. Es ist gut, dass wieder jemand Verwendung dafür hat.« Er schaute mich an. Seine Iris war dunkelgrau, der Blick ging in die Tiefe. Ich hatte diese Augen immer interessant gefunden. »Weißt du, nachdem ich mich bei deinem letzten Besuch deiner Freundin gegenüber so schroff verhalten habe, bin ich in mich gegangen und habe beschlossen, mit meinem Reliquienkult aufzuhören.« Er machte eine Pause. »Ich habe sehr lange nichts weggeben können, was ihr gehört hat«, meinte er dann.
Ein Fensterladen schlug heftig gegen die Hauswand. Stefan stand auf.
»Es hat Sturmwarnung gegeben«, sagte er. »Ich muss die Läden festmachen.«
Er ging aus dem Zimmer. Ich trat an eines der Fenster und sah mich darin gespiegelt, lang, mager, eckig, mit hängendem dünnem Haar. Unwillkürlich zog ich den Kimono noch fester um mich zusammen. Ich gefiel mir nicht, auch wenn Emma noch so oft sagte, sie fände mich sexy. Regina musste in dem Weinrot hinreißend ausgesehen haben. Stefans undeutliche Konturen tauchten vor dem Fenster auf und überlagerten sich mit meinem Spiegelbild. Er schloss die Läden, und ich zog die Vorhänge vor und setzte mich wieder in den Schaukelstuhl. Gleich darauf kam er in die Stube.
»Es ist kühl geworden«, sagte er und rieb sich die Oberarme. »Ich kann mich nicht erinnern, dass es früher im Herbst solche Stürme gegeben hätte.« Er sah mich an. »Ich mache mir Sorgen um den Ahorn, seine Krone wird allmählich zu schwer. Ein paar waagrechte Äste habe ich schon notdürftig gestützt. Er steht so dicht neben dem Haus, bei jedem Sturm habe ich Angst, ein Ast könnte brechen und auf das Dach fallen.« Er seufzte. »Ich liebe den Baum, er ist weit über hundert Jahre alt und denkmalgeschützt. Regina und ich sind so oft darunter gesessen. Es wäre schlimm für mich, wenn wir ihn absägen müssten.«
»Der Ahorn schützt vor Hexen«, sagte ich. »Zuverlässig. Und vor Blitzschlag.«
Stefan lachte.
»Leider stand keiner auf dem Friedhof …«
»Hast du etwas zu trinken?«, fragte ich. »Ein Glas Rotwein vielleicht?«
»Ach, entschuldige bitte, ich bin ein unaufmerksamer Gastgeber.«
Er ging hinaus in den mit
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