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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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Feuerwehrkommandant Strohriegl, »unsere Gäste aus der Bundeshauptstadt müssen anständig bewirtet werden, nicht wahr?«
    Der Oberlöschmeister hatte Emma schon an der Hand gepackt, von der Bank hochgezogen und ihren rechten Arm durch seinen abgewinkelten linken gefädelt. So eingehängt, gingen sie auf einen hochgewachsenen dünnen Mann in einer blauen Schürze mit einem für seinen Kopf zu kleinen Hut zu, der Kastanien in einer großen Pfanne mit langem Stiel über einem Feuer in einer rostigen Blechtonne rüttelte, sodass sie gleichmäßig geröstet wurden. Meine Großmutter verdrehte den Hals.
    »Dort geht der Forstgehilfe mit seinem Bruder«, sagte sie, »er kümmert sich rührend um ihn. Vom Schicksal geschlagen, der arme Florian! Seit er als kleines Kind diese Gehirnhautentzündung gehabt hat, ist er nicht mehr ganz richtig im Kopf. Ich gebe zu, er ist mir ein bisschen unheimlich – die Art, wie er plötzlich neben einem steht, ohne dass man ihn hat kommen hören … Bedauernswert, aber auch ein bisschen unheimlich, muss man sagen.«
    »Also, was mich betrifft, ich fürchte mich vor ihm«, bekannte die Witwe Dirnböck, die auch an unserem Tisch saß, und leerte ihr Glas Traminer. »Stellt euch vor, letzten Samstag taucht er auf einmal in meiner Küche auf! Ich walke gerade den Brotteig, und da habe ich das Gefühl, als sei jemand hinter mir. Ich drehe mich um, und da steht er und lacht mich mit aufgerissenem Mund an, ohne ein Geräusch! Ich schwöre euch, mein Herz hat kurz ausgesetzt.« Sie schwieg und musterte mit feinem Lächeln und scharfem Blick die blonde Haartracht meiner Großmutter. »Übrigens, deine neue Haarfarbe ist bezaubernd, Toni, sie macht dich um Jahre jünger. Ich sage immer, wir Frauen dürfen nicht aufgeben, auch nicht im hohen Alter.«
    Meine Großmutter sah die Witwe Dirnböck argwöhnisch an, unsicher, ob sie in der Bemerkung ein Kompliment oder eine Beleidigung vermuten sollte.
    »Florian. Wir müssen für ihn beten«, meinte meine Tante Beate, die nicht mehr nüchtern war, was am roten Sturm lag, der ihr heuer besonders gut schmeckte.
    »Genau«, sagte meine weißhäutige Kusine Imelda und schlug die frommen Basedow-Augen nieder. »Beten, das hilft.« Ich hatte noch nicht bemerkt, dass sie auch eine leichte Struma hatte. Sie trank Buttermilch.
    »Ach was«, sagte die Witwe Dirnböck, »er gehört in eine Anstalt. Die Weber Hilde hat mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt, dass sie vor ein paar Monaten allein im Wald spazieren ging und dass er plötzlich hinter einem Baumstamm hervorgesprungen ist und sie unsittlich berührt hat – eine Frau in meinem Alter! Man fühlt sich ja nicht mehr sicher im Dorf, solange dieser gemeingefährliche Mensch frei herumläuft. Wozu gibt es schließlich diese große Irrenanstalt in Graz? Dort wäre doch Platz für ihn.«
    »Genau«, sagte Probefeuerwehrmann Jauk und rückte auf seiner Bank so lange nach links, bis er die Flasche Sliwowitz in bequemer Reichweite hatte.
    Emma und Oberlöschmeister Resch kamen an den Tisch zurück und setzten sich wieder.
    »Ah, hier ist sie ja, die Bekannte der Frau Doktor aus Wien«, sagte die Witwe Dirnböck und streckte Emma ihre Rechte hin. »Gestatten, Helene Dirnböck, sehr erfreut. Wie man hört und sieht, haben Sie beide Ihre Vorliebe für den Sausal entdeckt.« Sie schüttelte kräftig Emmas Hand, wandte sich zu mir und lächelte honigsüß. »Und für unseren Doktor König, nicht wahr? Am Sonntag vor drei Wochen habe ich Sie zufällig vor seinem Haus gesehen, erinnern Sie sich? Am frühen Vormittag. Wahrscheinlich mussten Sie bei ihm übernachten, weil am Abend vorher dieser starke Wind aufgekommen ist, oder?«
    Emma sah mich überrascht an. »An dem Sonntag, als ich dich so gegen zehn angerufen habe?«, fragte sie.
    »Sie hat sich sichtlich wohlgefühlt bei unserem Doktor König«, sagte die Witwe Dirnböck heiter. »Barfuß im Gras, und noch im Nachthemd. Ganz ungezwungen.«
    Emma schaute noch überraschter. »Aber du hast doch gesagt, du wärst in der Mühle«, sagte sie. »Beim Kaffeekochen.«
    »Kaffeekochen!« Onkel Rudolf schlug sich auf die Schenkel. »Kaffeekochen! Das ist gut.«
    »Ich erkläre es dir bei nächster Gelegenheit«, sagte ich leise.
    Emma ignorierte mich, stand auf und blickte in die Runde. »Es war mir ein Vergnügen«, sagte sie. »Aber ich muss heute noch nach Wien zurück. Gute Nacht, allerseits.« Sie sah mich böse an. »Gute Nacht, Sissi.« Sie drehte sich um und

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