Die Unzertrennlichen
Abend saßen wir mit meinen Verwandten und mehreren Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr, die zu dieser Gelegenheit ihre braunen Uniformröcke mit den Goldknöpfen und den roten, den Dienstgrad kennzeichnenden Kragenspiegeln angelegt und ihre dazupassenden braunen Kappen aufgesetzt hatten, an einem der langen, mit weißen Tüchern bedeckten Tische auf der großen Wiese vor der Volksschule. Die meisten hatten an den Weinständen bereits reichlich verkostet und waren entsprechender Stimmung. Zwischen den Tischen liefen kleine Kinder, Katzen, Hunde und ein paar fette weizenfarbene Sulmtaler Hühner herum. Auf einem schief stehenden Küchenstuhl mitten in der Wiese saß ein hagerer Mann in Hemdsärmeln und einer schwarzen, mit bunten Blümchen bestickten Samtweste, dem eine unangezündete Zigarette an der Unterlippe hing, und spielte auf einer zinnoberroten Knopfharmonika steirische Volkslieder.
Mein Großvater, der großzügigerweise eine Flasche Sliwowitz sowie eine Flasche Tresterbrand aus eigener Produktion auf den Tisch gestellt hatte, und der ihm gegenübersitzende Feuerwehrkommandant, Hauptbrandinspektor Direktor Strohriegl, waren im Begriff, ihre Auszeichnungen miteinander zu vergleichen.
»Diese Ehrenmedaille am orangegelben Band für fünfundzwanzig Jahre eifrige und ersprießliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Feuerwehr- und Rettungswesens hat mir der Landeshauptmann persönlich angesteckt«, sagte der Hauptbrandinspektor und zeigte auf eine unter mehreren an seine linke Brustseite gehefteten Dekorierungen.
»Sehr schön, sehr schön«, sagte mein Großvater, nahm einen Schluck von seinem Sliwowitz und klopfte sich an die Brust. »Und das hier ist das Infanterie-Sturmabzeichen. Es wurde mir für meine Bewährung im Sturmangriff von Regimentskommandant Oberst Falke – äh, Haake – Walke …« Er brach kurz ab. »Ist ja egal, der Balkanfeldzug war jedenfalls kein Honiglecken, das kann ich euch sagen. Ich habe drei Sturmangriffe überlebt, in vorderster Linie, Einbruch mit der Waffe in der Hand.« Er neigte sich zum Feuerwehrkommandanten hin, sodass dieser das Abzeichen besser betrachten konnte.
»Sturmangriff«, sagte Oberfeuerwehrmann Kienreich langsam nickend und schaute melancholisch in sein Glas schwarzroten Blauburger. »Ihr wart Helden.«
»Das daneben«, fuhr Hauptbrandinspektor Strohriegl fort und tippte auf ein sich unmittelbar neben dem Ehrenzeichen für fünfundzwanzigjährige ununterbrochene Aktivität auf dem Sektor des Brandschutzes befindliches weißes Kreuz, »also, das daneben ist das Verdienstkreuz Erster Klasse für Feuerwehrleute, die besonders gefährliche Situationen gemeistert haben. Eine Tankwagenexplosion bei Edelschuh vor sechzehn Jahren. Ich erinnere mich noch genau daran. Als wäre es gestern gewesen. Zwei Tote, bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Ein schönes Andenken, dieses Ehrenkreuz. Einundvierzig Millimeter hoch und breit, achtspitzig, emailliert. Sehr eindrucksvoll die roten Flammenbündel zwischen den Kreuzarmen und das steirische Landeswappen auf silbernem Grund in der Mitte.«
»Super«, sagte Probefeuerwehrmann Jauk, der gerade erst sechzehn geworden war, setzte die Flasche mit dem Tresterbrand an die Lippen, machte einen langen Schluck, stellte sie zurück und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Echt super. So ein Kreuz hätte ich auch gern.«
»Für jeden kommt die Stunde der Bewährung, in der er sich auszeichnen kann«, sagte Brandmeister Haas und legte dem Probefeuerwehrmann die Hand auf die Schulter. »Auch für dich.«
Mein Großvater, der sich nicht genügend beachtet fühlte, stand auf und erhob die Stimme: »Und das hier, das hier«, rief er und wölbte die kümmerliche Brust, »das ist das Verwundetenabzeichen in Schwarz! Zweimalige schwere Verletzung vor Saloniki, eine Kugel in der Schulter, ein Granatsplitter im Unterschenkel! Eine schöne Auszeichnung, schaut alle her! Ein Stahlhelm mit auf der Spitze stehendem Hakenkreuz. Hohlgeprägtes Eisenblech.«
»Gestatten, Oberlöschmeister Resch«, sagte ein junger Mann mit zusammengewachsenen Augenbrauen, dichtem lockigen Haar, einem buschigen Schnurrbart und langen Koteletten, den solcherlei Ehrungen offenbar weniger interessierten, zu Emma und verbeugte sich leicht schwankend vor ihr. »Darf ich Sie zu einer Portion Kastanien und einem Viertel Sturm einladen?«
»Was sagt er?«, flüsterte Emma mir zu. »Ich verstehe die Leute hier so schlecht«.
»Recht so, recht so«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher