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Die Unzertrennlichen

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Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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ist über das, was ich Ihnen gerade mitgeteilt habe, absolutes Stillschweigen zu bewahren. Ich hätte nicht so aufrichtig zu Ihnen gesprochen, wenn Sie nicht eine Bekannte meines alten Freundes Anders wären. Seine Freunde sind meine Freunde. Wir Italiener sind eben so.« Er nickte meinem Begleiter, der bereits Entzugserscheinungen erkennen ließ und nervös auf seinem Sessel hin und her rutschte, huldvoll zu und streckte sich. Sein Bauch ragte ein gutes Stück über den Schreibtisch. »Wie ich schon sagte, ich habe nicht ewig Zeit.« Er hielt uns seine plumpe Rechte hin. Wir ergriffen sie nacheinander. »Es hat mich wirklich sehr gefreut, Sie kennenzulernen, teure Signorina. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Auf Wiedersehen. Ciao, Anders, ciao, bis bald!«
    »Könnten Sie nicht –«, versuchte ich ein letztes Mal.
    Signor Sacco wandte sich von uns ab und nahm das Notenblatt zur Hand. Wir gingen zur Tür. Während wir uns durch den Gang in Richtung Ausgang entfernten, ertönte seine Stimme von neuem. Ein angenehmer Bariton.
    »Falstaff«, sagte Anders und grinste. »›E sogno? O realtà?‹«
    Er begleitete mich zurück zur Pensione Paradiso.
    »Was halten Sie von den Ausführungen des Sovrintendente?«, fragte ich. »Die Polizei kann es doch nicht einfach ignorieren, wenn zwei Zeugen unabhängig voneinander bestätigen, Regina in Gegenwart dreier Männer auf einer Motorjacht gesehen zu haben!«
    Anders sog an seiner Lucky Strike wie ein ausgehungerter Säugling an der Mutterbrust.
    »Na ja, eine demenzkranke alte Frau und ein drogensüchtiger Informant, ich weiß nicht …«
    »Trotzdem, es ist doch ein eigenartiger Zufall.«
    »Ja, eigenartig«, räumte er ein.
    Wir begannen gleichzeitig zu lachen. Inzwischen waren wir vor der offen stehenden Eingangstür der Pension angekommen.
    »Vielen Dank für Ihre Vermittlerdienste«, sagte ich.
    »Also dann –«, sagte Anders. »Bis irgendwann.«
    Er wandte sich zum Gehen.
    »Ach, da fällt mir etwas ein«, setzte er hinzu, indem er sich noch einmal umdrehte. »Haben Sie vielleicht Lust, einem einsamen Mann in seinen uninteressanten vier Wänden beim Essen Gesellschaft zu leisten?«
    »Sie kochen?«, fragte ich erfreut. »Eine lokale Spezialität vielleicht? Die Einladung nehme ich gern an.«
    »Nein, ich koche nicht«, sagte Anders. »Aber ich versichere Ihnen, die Pizza, die ich mir ins Haus bringen lasse, ist nicht schlecht.«
    Ich betrat das Foyer. Achille, der sich mit seinen ausgemergelten kleinen Fäusten auf der Tischplatte abstützte und auf Zehenspitzen hinter der Rezeption stand, das ohnehin vorspringende Kinn und den dünnen Hals in Richtung Haustür gereckt, setzte sich rasch hin und lächelte mir freundlich zu. Sein Akkordeon war nirgends zu sehen.
    »Ein angenehmer Mensch, Signor Erz, nicht wahr?«, sagte er. »Nicht wahr? Verzeihen Sie, aber ich habe zufällig gesehen, wie Sie sich miteinander unterhalten haben. Es war nicht zu vermeiden. Verzeihen Sie. Ich glaube, ich darf nicht nur in meinem, sondern auch im Sinne aller übrigen Bewohner unserer Insel behaupten, dass er im Lauf der Jahre zu einem der Unsrigen geworden ist. Sie kennen ihn gut? Sehr gut?«
    »Flüchtig«, sagte ich. »Wo ist denn Ihr Akkordeon?«
    Die Miene des alten Mannes änderte sich abrupt, er blickte bekümmert und zog heftig an dem auf seinem Kinn sprießenden, langen weißen Haar.
    »Die Chefin hat es weggesperrt«, sagte er und seufzte tief. »Sie kann ziemlich wütend werden, die Chefin. Der Chef ist sehr umgänglich, aber sie … Sie hat gemeint, ich störe die Gäste mit meiner Quetschkommode.« Er sah mich anklagend an. »Quetschkommode hat sie meine Victoria genannt. Im Augenblick wohnen doch nur Sie und Signor Tucci hier – er ist den ganzen Tag unterwegs, und ich hatte nicht das Gefühl, dass ich Sie mit meinem Akkordeon belästige.«
    »Nein, nein – ganz im Gegenteil, ich habe es gern, wenn Sie spielen.«
    Wieder wechselte Achille jäh den Gesichtsausdruck. Die braunen Augen in dem sympathischen Gesicht mit den zahllosen Fältchen leuchteten auf, er strahlte. »Ist das wahr? Vielleicht könnten Sie ein gutes Wort – also, Sie wissen schon, was ich meine, nicht? Damit sie mir mein Akkordeon wenigstens zurückgibt. Wenn ich hier auch nicht mehr darauf spielen darf.«
    »Wenn Sie wollen, spreche ich mit der Signora.«
    Der alte Mann griff nach meiner Hand und drückte seine blutleeren, blasslila Lippen lange und fest darauf. Sie fühlten sich kalt an.
    »Ich danke Ihnen, ich

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