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Die Unzertrennlichen

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Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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Greisinnen. Steinalt, so wie ich.« Ein kurzes Gackern, dann ein langes Ächzen. »Sie haben ja keine Ahnung, was mich das Futter für meine Tiere kostet! Ein Vermögen! Der Rabe, die Sittiche, die Katzen, der Hund …« Sie wandte den Kopf in Richtung Wiese. »Und jetzt habe ich auch noch eine griechische Landschildkröte. Die hat mir mein Enkel geschenkt, dieser Taugenichts. – Silvio! Silvio!« Sie hielt inne. «Man sieht sie nicht, sie ist perfekt getarnt. Das heißt, er. Es ist ein Männchen. Mein Enkel hat ihn nach Berlusconi benannt, er bewundert ihn. Ich weniger. Vielleicht sollte ich ihn umtaufen. Wie gefällt Ihnen zum Beispiel der Name Peppone? So hieß der kommunistische Bürgermeister in Don Camillo und Peppone , dieser alten Serie. Der gefällt mir besser als der Ministerpräsident.« Sie wartete meine Antwort nicht ab. »Aber ich rede und rede, und Sie wollten mich doch etwas fragen. Fragen Sie!«
    »Es geht um den Badeunfall vor zwei Jahren – eine Freundin von mir ist dabei ums Leben gekommen. Regina König. Sie ist ertrunken.«
    Die alte Frau schaute mich mitleidig an.
    »Sie haben sich diesen Unsinn nicht etwa auch von unserer Polizei verzapfen lassen? Diese Stümper, allen voran Fausto Sacco! Na ja, er war schon in der Schule ein Einfaltspinsel. Ich war nämlich seine Lehrerin, wissen Sie. Ein dummer Mensch, ich frage mich, wie er über die Volksschule hinausgekommen ist. Ein Schwätzer. Aufgeblasen wie ein Pfau. Und so hässlich, finden Sie nicht auch? Ein Kopf wie ein Kürbis, ganz wie Mussolini, auch das Gehabe. Solche Ignoranten gehen gern zur Polizei, dort machen sie Karriere.«
    Nein, die Witwe schien nicht unter einem Defizit kognitiver, sozialer und emotionaler Fähigkeiten zu leiden. Sie trat sehr nahe an mich heran, packte mich mit einer ihrer Krallen am Unterarm, nahm die Brille wieder ab und richtete den Blick ihrer Eulenaugen mit den riesigen schwarzen Pupillen auf mich.
    »Die Dame ist eine Freundin von Ihnen, sagen Sie? Sie müssen entschuldigen, aber das spricht nicht für Sie. Sie sollten bei der Auswahl Ihrer Bekannten vorsichtiger sein.«
    »Weshalb?«
    »Weil sie eine leichtfertige Person ist.« Sie schob die Brille wieder auf ihre kleine Nase. »Und das ist noch milde ausgedrückt. Eine verheiratete Frau, die sich von drei lichtscheuen Figuren klitschnass in einem Fetzchen von schwarzem Badeanzug aufgabeln lässt! Es wird ein schlechtes Ende nehmen mit diesen Touristinnen aus dem Norden, die glauben, sie könnten sich ebenso benehmen wie Männer!« Sie hob ihre freie Kralle in einer warnenden Geste, eine fragile, alterssichtige Kassandra mit chronischer Polyarthritis. »Womit nicht unbedingt gesagt sein soll, dass Sie auch zu dieser Sorte gehören, mein liebes Fräulein. Nicht unbedingt. Jedenfalls, ich habe genau gesehen, wie Ihre unternehmungslustige Bekannte ohne Umstände zu diesen Männern in ihr schnittiges Motorboot gestiegen ist. Ich war nämlich gerade dabei, in der Bucht nach Muscheln zu suchen. Das Boot war nicht weit von mir entfernt.« Sie deutete auf ihre Augen. »Ich bin vielleicht uralt, aber ich sehe noch wie ein Luchs und habe die zwielichtigen Gestalten sofort erkannt.« Sie seufzte. »Einer von ihnen war mein missratener Enkel.« Dann drückte sie sich an mich und verstärkte ihren Krallengriff. »Es geschieht meiner Tochter ganz recht, dass sie einen solchen Tunichtgut von Sohn hat«, flüsterte sie. »Eine Tochter, die die eigene Mutter entmündigen lässt!« Sie machte eine kurze Pause, um die Wirkung zu ermessen, die die Eröffnung dieser ungeheuerlichen Tatsache auf mich hatte, und ließ meinen Arm los. Ich schüttelte den Kopf und schnalzte ein paarmal missbilligend mit der Zunge. »Sehen Sie, das empört auch Sie!«, fuhr die alte Frau fort. »Es empört jeden anständigen Menschen. Angeblich bin ich demenzkrank, dabei gibt es auf der Insel kaum jemanden in meinem Alter, der seine fünf Sinne besser beisammen hat.« Sie neigte den Kopf und lächelte, ein feines Lächeln. »Seine sechs, um genau zu sein. Natürlich geht es meiner Tochter darum, so rasch wie möglich ans Erbe heranzukommen. Achille und ich haben das Urteil sofort angefochten, wir sind optimistisch. Das Verfahren dauert seine Zeit, aber sobald es abgeschlossen ist, werden wir heiraten.«
    »Konnten Sie sehen, ob meine Freundin mit Gewalt ins Boot gezerrt wurde?«
    Signora Ciaccoppoli sah mich ungläubig an, dann gackerte sie los, laut und lange. »Mit Gewalt? Das glauben Sie doch

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