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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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danke Ihnen tausendmal! Sie sind eine gute Frau. Wirklich, eine gute Frau.«
    »Vielleicht können Sie mir auch einen Gefallen tun«, sagte ich.
    »Selbstverständlich, selbstverständlich, ich tue alles für Sie, alles Menschenmögliche!«
    »Kennen Sie die Signora Ciaccoppoli?«
    Achille blickte überrascht, dann errötete er. Sein Mienenspiel war erstaunlich abwechslungsreich.
    »Die Signora Ciaccoppoli – die Witwe, meinen Sie?«
    »Ja, die Witwe.«
    Er lächelte verschämt.
    »Natürlich kenne ich sie, natürlich, ich kenne sie sogar sehr gut. Wissen Sie, wir sind – also, Renata und ich haben uns vor einem Jahr verlobt. Zwei Jahre nach Scipiones Tod.«
    »Scipione?«
    Man hielt es nicht für möglich.
    »Ja, ihr seliger Mann. Wir haben zwei Jahre vergehen lassen, das ist lang. Es hätte genügt, das Trauerjahr abzuwarten. Aber wir wollten nichts überstürzen. Sie wissen ja, die Leute reden. Er – also Scipione, der Ehemann –, er war Zimmermann von Beruf. Auf einer Baustelle ist dem Unseligen ein Holzbalken auf den Kopf gefallen, er war auf der Stelle tot. Auf der Stelle. Eine Seele von einem Menschen. Die beiden, Renata und er, waren ausgesprochen glücklich miteinander. Ausgesprochen glücklich. Wissen Sie, ich habe schon vor fünfzig Jahren um Renatas Hand angehalten.« Er drehte verlegen an der Warze an seinem Kinn. »Ja, vor über fünfzig Jahren. Wir haben uns heimlich getroffen, sie wollte mich auch. Aber ihre Eltern waren dagegen, ich war ein Habenichts.« Plötzlich lachte er laut und fröhlich auf. »Ja, ein Habenichts! Das hat sich bis heute nicht geändert, kein bisschen! Aber das macht nichts. Sie nimmt mich trotzdem. – Worum geht es denn?«
    »Ich hätte gern eine Auskunft von der Signora und möchte wissen, wo sie wohnt.«
    Achille beugte sich interessiert vor.
    »Eine Auskunft? Eine Auskunft? Ja, worüber denn?« Seine Augen glänzten neugierig. Dann beherrschte er sich. »Ach, entschuldigen Sie, das geht mich natürlich nichts an, rein gar nichts. Und wo sie wohnt? Also, sie wohnt – Warten Sie, ich zeige es Ihnen, ich zeige es Ihnen gleich.« Er faltete eine Karte der Insel auseinander und fuhr mit einem krummen Zeigefinger über das Papier. »Sehen Sie, hier sind wir – hier. Und Renata wohnt dort. In der Via Ottimo. Via Ottimo Nummer drei. Es ist nicht weit. Gar nicht weit. Wenn Sie das Fahrrad nehmen, sind Sie in zehn Minuten dort. In zehn Minuten oder einer Viertelstunde.«
    Das Haus in der Via Ottimo war nicht schwer zu finden, über der Eingangstür war eine Keramiktafel mit der Hausnummer angebracht. Das hellblau gestrichene kleine Gebäude stand für sich allein an einem steilen Abhang. Ein gewundener Pfad führte zwischen Sträuchern und windschiefen Bäumchen zum Meer hinunter. Ich lehnte mein Fahrrad an einen der morschen Pfähle des eingesackten Zaunes aus Drahtgitter und hoffte, er würde nicht umfallen. Dann stieß ich das hölzerne Gatter auf und ging über einen mit Bruchstücken aus bunten Fliesen ausgelegten Weg auf das Haus zu. In der von Unkraut überwucherten Wiese neben dem Weg liefen ein paar magere Hühner herum. Vor einem Loch im Erdboden lauerte eine rötlich und weiß gescheckte Katze. Eine winzige alte Frau mit weißen, erstaunlich dichten, gewellten Haaren, einer Brille und einem Buckel stand auf dem Gras vor einem der offenen Fenster und unterhielt sich mit einem großen schwarzen Vogel, der auf einer Stange in einem hohen und breiten, mit Goldfarbe gestrichenen Käfig hockte. Der Käfig saß auf einem runden Blechtisch unter dem Fenster. Die Tür des Gefängnisses war offen. In einem zweiten, kleineren Vogelbauer auf der Fensterbank zankten sich kreischend zwei grüne Wellensittiche.
    »Kommen Sie nur, kommen Sie näher, Signorina«, sagte die Alte, ohne sich vom Vogel abzuwenden. Ich fuhr zusammen, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass meine Anwesenheit bereits bemerkt worden war. »Uckebein fliegt nicht weg. Nicht wahr, Uckebein, du fliegst nicht weg? Nein, nein.«
    Uckebein. Ich musste schmunzeln. Sie sprach das H nicht aus.
    »Huckebein ist ein deutsches Wort«, sagte ich. »So heißt ein Rabe in einer Geschichte. Hans Huckebein. Wie kommt der Vogel zu dem Namen?«
    Die zarte, fast gebrechliche Frau wandte mir ihr rundes Gesicht mit der kleinen, gebogenen Nase zu. Ein Eulengesicht. Die Brillengläser in der schweren, altmodischen Fassung aus durchsichtigem Kunststoff waren dick, die Augen dahinter sahen groß und verschwommen aus.
    »Signor

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