Die Unzertrennlichen
Oberschenkel und lachte. »Die Alte hat vielleicht Nerven!« Er wandte sich an seinen Nachbarn. Wir saßen zu dritt um einen kleinen runden Blechtisch. »Hast du gehört, Salvatore? Die Nonna hat sie geschickt. Wegen dieser Deutschen damals, du weißt schon. Die wir mitgenommen haben. Als wir mit dem Boot in Procida waren.«
»Ach, die!«, sagte Salvatore und pfiff durch die Zähne. »Nicht mehr die Jüngste, aber ganz schön scharf.«
»Österreicherin«, sagte ich.
»Ist doch egal«, sagte Salvatore. »Hauptsache, wir haben unseren Spaß mit ihr gehabt. Zuerst im Boot und später in der Wohnung von Gianluca.«
»Dann kam noch dein Bruder dazu. In der Wohnung. Und Gianlucas Cousin.« Dante Gabriele grinste.
»Genau«, sagte Salvatore, nickte und grinste ebenfalls. »Jetzt fällt es mir wieder ein. Die Frau war echt nicht schlecht. Hat uns gut bedient.«
»Du hast ihr deinen Anhänger geschenkt, weißt du noch? Dieses große S, das du immer um den Hals getragen hast. An dem schwarzen, geflochtenen Lederband. Sie hat es dir abgeluchst.« Der junge Mann lachte. »Mitten im Geschehen.«
»Du sagst es! Sie wollte das Ding unbedingt haben. Für ihren Mann, hat sie gesagt und sich kaum eingekriegt vor Lachen. Da hab ich es ihr um den Hals gehängt. Das ärgert mich noch heute. Ein Geschenk meiner Mutter. Aus Kupfer. Ein Glücksbringer. Sah aus wie eine Schlange. Die Schuppen waren fein herausgearbeitet, und die Augen waren zwei kleine Smaragde. Ziemlich teuer.«
»Du warst stockbesoffen.«
»Wir waren alle stockbesoffen.«
Sie lachten laut.
Ich hatte nicht lange warten müssen, bis die beiden erschienen waren. Bei meinem Eintreten hatten die wenigen Gäste aufgeblickt und waren verstummt. Ich setzte mich in einiger Entfernung von ihnen an einen Tisch im hinteren Teil des großen, kalten Raumes, von dem aus man durch eine Tür in ein Hinterzimmer sehen konnte, in dem ein paar alte Billardtische mit abgenutztem Filzbelag standen. Da die stark geschminkte, nicht mehr junge Frau hinter dem Schanktisch keine Anstalten machte, mich zu bedienen, stand ich nach einer Weile auf und ging zu ihr hin.
»Einen Espresso, bitte«, sagte ich.
»Fremde sind hier nicht willkommen.«
»Ich warte auf Dante Gabriele.«
Ein abschätziger Blick aus honigbraunen, mit breitem schwarzem Lidstrich umrahmten Augen und dick getuschten Wimpern.
»Was Sie nicht sagen! Sind Sie Journalistin?«, fragte sie.
»Nein. Eine Bekannte.«
Meine Behauptung schien die Kellnerin nicht zu überzeugen.
»Ständig kreuzen Schnüffler auf, glotzen uns an, wollen alles Mögliche wissen und bemitleiden uns. Widerwärtig!«, sagte sie und zog die Mundwinkel voll Abscheu hinunter. Ihre Lippen waren bis weit über den Rand hinaus grellrosa bemalt. Auch der Plastikhaarreifen, der ihr langes, gefärbtes, strähniges blondes Haar zurückhielt, war grellrosa. »Als wären wir im Zoo! Keine Ahnung, ob der Kleine heute kommt.« Sie stellte eine dicke weiße Tasse auf die durchlöcherte Metallplatte der Espressomaschine, einer alten Gaggia Achille mit Manometer und Handhebel. Ich war seit längerem auf der Suche nach einem solchen Gerät. »Glauben Sie, wir leben freiwillig hier?«, fragte die Frau. »Sehen Sie sich meine Tochter an: mit vierzehn das erste Kind. Zwei Jahre später ist der Mann weg. So ergeht es den meisten Frauen. Die Kinder landen auf der Straße. Meine Tochter kann von Glück reden, dass ich den Job hier habe und sie finanziell unterstütze. So kann sie sich um ihre Söhne kümmern. Sie sind sieben und neun. In dem Alter entscheidet sich schon das meiste. Sie sehen die Dealer, kriegen mit, wo man die Drogen versteckt, wie die Größeren in den Autos Crack inhalieren. Ein paar Jahre später fangen sie als Wachtposten an. Eine gefährliche Sache. Eins von zehn Kindern kann sich raushalten.«
Sie blickte in Richtung Eingang. »Sie haben Glück«, sagte sie. »Hier kommt der Kleine. Mit Salvatore. – Sagen Sie, hören Sie mir überhaupt zu?«
»Würden Sie mir die Gaggia verkaufen?«, fragte ich. »Unter Umständen?«
Die Kellnerin blickte mich entgeistert an.
»Wie bitte?«
»Nur eine Frage.«
Wie zu erwarten war, war die Maschine unverkäuflich.
Jedenfalls fand ich Dante Gabriele und seinen Genossen nicht unsympathisch. Offenbar hatte die Signora Ciaccoppoli mit ihrer Vermutung recht gehabt. Regina war aus freien Stücken mitgekommen und hatte sich mit den drei Männern vergnügt.
»Wann ist sie gegangen?«, fragte ich. »Und
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