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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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Sie das Stück wieder erwerben!« Die Frau warf den Kopf in den Nacken und lachte herzlich, bevor sie weitersprach. »Die hübsche Schmuckschatulle mit der Dekoration aus Muscheln habe ich bereits verkauft, die kleine runde Spieldose mit der Einlegearbeit aus Holz auch, sie haben schon am frühen Vormittag eine Abnehmerin gefunden, eine sympathische Gymnasiallehrerin aus Radkersburg …«, fuhr sie fort. Ihre Stimme wurde immer leiser, bis ich nicht mehr hören konnte, was sie sagte, obwohl ihre Lippen sich bewegten. Ich bückte mich und griff nach dem Anhänger. Dabei wurde mir kurz schwarz vor den Augen, und ich schwankte. Ein kräftiger Arm kam mir zu Hilfe. Stefans Arm.
    »Ist alles in Ordnung, Prinzessin?«, hörte ich ihn wie von weitem fragen. »Fühlst du dich nicht wohl? Du bist so blass.«
    »Doch, doch«, sagte ich und richtete mich auf. »Es geht mir gut. Es ist nur der Wein von gestern Abend.« Ich ließ das Lederband durch meine Finger gleiten. »Ein hübscher Anhänger.«
    Stefan nahm mir die kunstvoll geflochtene Schnur aus der Hand und legte sie mir um den Hals. Er trat zwei Schritte zurück und betrachtete mich, schaute mich aufmerksam an, prüfend, wachsam. So wie damals, als er mich mit dem halben Brief aus Zürich in der Hand überrascht hatte. Aber vielleicht bildete ich mir das nur ein, hatte es mir auch damals nur eingebildet?
    »Ich schenke dir das Amulett«, sagte er dann und lachte. »Ich kaufe es tatsächlich zurück!« Die dicke Frau stimmte in sein Lachen ein, ihr Brustkorb wogte, die knallroten Pompons flogen. »Es ist für dich bestimmt. S wie Sissi.«
    »Oder S wie Stefan«, sagte die dicke Frau und hörte auf zu lachen. »So heißen Sie doch mit Vornamen, nicht?« Sie schaute argwöhnisch von ihm zu mir, ließ ihren Blick wenig freundlich auf mir ruhen und dann wieder zu ihm zurückschweifen. »Es ist doch wohl kein Geschenk Ihrer verstorbenen Frau?«
    Er antwortete nicht.
    Während der restlichen Zeit, die ich an diesem Sonntag mit Stefan verbrachte, bemühte ich mich, die Fassung zu bewahren und gleichmütig zu erscheinen, zumal ich das Gefühl hatte, dass er mich genau beobachtete. Aber wahrscheinlich war auch das nur Einbildung. Als mir klar wurde, dass ich den Aufruhr in meinem Inneren nicht länger würde verbergen können, gab ich vor, mich am Abend noch auf eine Lehrveranstaltung für den nächsten Tag vorbereiten und deshalb früher als sonst losfahren zu müssen. Stefan zeigte sich freundlich und verständnisvoll. Als ich wegfuhr, stand er vor der Haustür und winkte mir nach.
    Am Beginn der Fahrt nach Wien hätte ich zweimal um ein Haar einen Unfall verursacht, so unkonzentriert steuerte ich meinen VW . Mit zunehmender Dunkelheit ließ die Anspannung etwas nach, die Wärme der Autoheizung, der heimelige rote Schein der Rückleuchten der Wagenschlange vor mir beruhigten mich, auch die Regelmäßigkeit, mit der die Scheinwerferlichter der mir auf der anderen Richtungsfahrbahn entgegenkommenden Fahrzeuge aufleuchteten und wieder in die Finsternis eintauchten. Dass Stefan ein sehr feinfühliger Mann war, darüber bestand kein Zweifel. Er kannte mich seit Jahrzehnten und wusste mich ganz gewiss gut einzuschätzen. Natürlich war ihm das Entsetzen, das mich beim Anblick der kupfernen Schlange überkommen und sich als plötzliche Schwäche manifestiert hatte, nicht verborgen geblieben, ebenso wenig wie meine innere Erregung in den Stunden danach. Aber er konnte doch nicht im Entferntesten ahnen, dass ich über die Herkunft des Anhängers Bescheid wusste! Und es war unleugbar das Amulett, von dem Dante Gabriele und Salvatore gesprochen hatten, ein Irrtum war nicht möglich, dazu hatten die beiden das Objekt zu genau beschrieben.
    Stefan hatte gelogen, das stand nun außer Frage. Er war nach dem Tag, an dem Regina angeblich ertrunken war, nach ihrem Ausflug nach Neapel, wieder mit ihr zusammengetroffen, und bei dieser Gelegenheit hatte sie ihm ihr Präsent offeriert, in einer beispiellos zynischen Geste. S wie Stefan.
    Was war danach geschehen?
    Und sein Geschenk an mich? Seine Geste? War nicht vielleicht auch sie beispiellos zynisch gewesen? S wie Sissi.
    Weshalb musste der Anhänger in einem Augenblick auftauchen, da unser Verhältnis im Begriff war, sich zu vertiefen? Da wir unsere Ängste und Traumata ernsthaft zu überwinden versuchten und eine emotionale Annäherung riskierten? Zu einem Zeitpunkt, zu dem der Spuk, den das Phantom Regina mit uns getrieben hatte, endgültig

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