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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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sich aus gewählten Vertretern der anderen Grafschaften und der Handelsgilden zusammen. Einige bunt gekleidete fahrende Händler und Tunnelstreicher ergänzten die Gesellschaft.
    Im Zentrum des Rundbaus inmitten der mächtigen Säulen stand eine große Gestalt.
    Weißes, hochgeschlossenes Hemd. Dunkler, lederner Gehrock. Hohe, silberbeschnallte spitze Stiefel. Das Gesicht hinter einer schlichten silbernen Maske verborgen.
    »Jetzt wissen wir jedenfalls«, flüsterte mir Maurice Micklewhite zu, »wo er abgeblieben ist.«
    Mit übergezogenen Kapuzen hatten wir uns heimlich unter die Anwesenden gemischt. Der Zugang zur Royal Albert Hall liegt unterhalb der Tiefgaragen, doch war es uns gelungen, die dort postierten Wölfe zu überlisten. Maurice Micklewhite wendete Hypnose an, ein alter und dennoch höchst wirkungsvoller Trick, um willensschwache Kreaturen zu lenken.
    Nachdem wir erst einmal ins Innere des Gebäudes gelangt waren, schenkte uns kaum noch jemand Beachtung.
    »Ja«, gab ich dem Elfen zur Antwort. »Er könnte es tatsächlich sein.«
    Die silberne Maske hatte eine nur allzu bekannte Form.
    Spitze Ohren. Lange Schnauze. Breite Lefzen. Kein Wunder, dass er die Wölfe um sich scharte. Die tiefe, gutturale Stimme. Der orientalische Akzent. Das gottgleiche Auftreten. Jeglicher Zweifel war ausgeschlossen.
    Anubis, einstiger Herr der ägyptischen Unterwelt und vor mehr als achthundert Jahren aus dem Land seiner Ahnen ausgewandert, im alten Mesopotamien unter dem Namen Abezi Thibod bekannt, war der neue Lordkanzler von Kensington.
    »Die Preise für Tuch, Leinen und Gewürze werden ansteigen«, prophezeite ein Gildevertreter in grünem Samt. »Ihr könnt den Wegzoll nicht noch weiter erhöhen. Die Gesellschaften im Osten drohen bereits mit einer Handelssperre.«
    »Wo soll das denn noch hinführen?«, meldete sich ein fahrender Händler, und eine Vielzahl erregter und unkoordiniert in die Menge gerufener Kommentare schloss sich an.
    »Sollen wir etwa zu Einstandspreisen verkaufen?«
    »Werden die Routen überhaupt sicherer werden?«
    »Was ist mit dem Zugang zum Fluss?«
    »Die Arachniden werden keine von Eurer Lordschaft ausgestellten Passierscheine anerkennen.«
    »Wo sollen denn die Gewinne herkommen?«
    Der Lordkanzler erhob die Hand.
    Augenblicklich kehrte Schweigen ein.
    Mit ruhiger Stimme sagt er: »Chelsea ist mein.«
    Stille.
    Dann lautes Gemurmel.
    »Der Wegzoll muss erhöht werden«, gab der Lordkanzler bekannt. »Dies zumindest schlagen meine Berater vor.« Mit einem Kopfnicken deutete er auf eine Reihe bleicher, kahlköpfiger Gestalten, die in der ersten Reihe hinter bunten Rechenschiebern hockten und fortwährend Notizen in ihre Bücher kritzelten.
    Das Gemurmel schwoll an, nun ungleich wütender und aufgebrachter.
    Mit einer energischen Handbewegung brachte der Lordkanzler die Menge abermals zum Schweigen.
    »Die Erhöhung, sollte sie denn beschlossen werden, könnte jedoch geringfügig ausfallen.«
    Er machte eine kurze Pause, bevor er die Massen köderte: »Es bestünde sogar die Möglichkeit, gänzlich von einem Heraufsetzen der Wegzölle abzusehen.«
    Erleichtertes und neugieriges Gewisper.
    Er hatte sein Publikum im Griff.
    »Doch ist dieses Versprechen an eine Bedingung geknüpft.«
    Das Gemurmel verebbte.
    Der Lordkanzler konnte sich der uneingeschränkten Aufmerksamkeit des Publikums sicher sein.
    Erneute Rufe und Forderungen wurden laut.
    »Was ist das für eine Bedingung?«
    »Die Gilden sollten vertraglich Höchstzölle beschließen!«
    »Wie viele Bedingungen soll es denn noch geben?«
    »Das ist doch nur ein neues Schelmenstück!«
    Des Lordkanzlers mächtige Stimme erhob sich mühelos über den Lärm.
    »Die Grafschaft ist keine wohltätige Gemeinschaft. Sie alle wissen das. Sie alle sind Kaufleute. Tun Sie also nicht so, als kümmere Sie die Wohlfahrt der Menschen. Aber ich will mich kurz fassen.« Er blickte genüsslich in die Runde. »Wie viele von Ihnen bereits gehört haben, suchen meine Wölfe in allen Teilen der Stadt nach Kindern. Nun fragen Sie sich wohl, warum sie dies tun.«
    Maurice Micklewhite lugte neugierig unter seiner Kapuze hervor.
    Wieder dachte ich an Emily Laing.
    An ihre Freundin.
    Hoffte inständig, dass ihnen das Schicksal nicht allzu übel mitgespielt hatte.
    »Östlich der City wird eine Vielzahl neuer Tunnel in die Erde getrieben«, erklärte der Lordkanzler von Kensington. »Und im Tower von London gibt es einen neuen Herrn. Er gebietet den Raben, und es

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