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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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es wohl beschrieben hätte.
    Futuristisch.
    Unwirklich.
    Kühl.
    »Hörst du das?«, fragte Adam unverhofft.
    Emily lauschte.
    Das Zirpen erinnerte sie an Wiesen und Sommertage. Von überall her kam es. Vermischte sich mit der Musik, die aus den Lautsprechern drang und die Fahrgäste besäuselte.
    »Ist es das, was ich denke, was es ist?«
    »Grillen.« Adam nickte.
    »Hier?«
    Und dazu noch im Winter?
    »Sie sitzen im Schotter zwischen den Gleisen und zirpen«, erklärte Adam. »Es ist eben warm in der Métro, Tag und Nacht, das ganze Jahr über. Die kleinen Biester fühlen sich hier unten wohl.«
    »Es ist beruhigend.«
    »Und besser als dieses Gedudel aus den Lautsprechern.«
    Da konnte Emily ihm nur zustimmen.
    Sie selbst mochte am liebsten die echten Musiker.
    Zu denen Adam Stewart gehörte.
    Gespielt wurde überall in Paris.
    In den verzweigten Gängen der Métro-Stationen wie auch in den Zügen.
    Das zumindest war eine Gemeinsamkeit mit London.
    »Es ist illegal, wird aber selten geahndet«, erklärte Adam ihr.
    Redend und langsam in die Welt des anderen eintauchend, stiegen sie hinab in die Unterwelt jenseits der Métro, wo sich riesige Kavernen befanden, die als Frischwasserreservoire für den Stadtteil Montmartre dienten. Anders als in London war selbst die Architektur der
égouts
, der Kanalisation, von durchaus symmetrischer Eleganz. Jeder Auslauf war eine Arkade, jedes Gewölbe erstrahlte in heller Sauberkeit. Doch gab es auch hier dicke gusseiserne Rohre, deren Manteldicke allein den widerwärtigsten Dreck von der Reinheit des Wassers zu trennen vermochte.
    Hier und da wurde Emily wuselnder Bewegungen in den tiefen Schatten gewahr, die aussahen, als bewegten sich die Schatten selbst die Röhren und Höhlenwände hinauf, losgelöst von den Gesetzmäßigkeiten, die die Beleuchtung ihnen auferlegte.
    »Das sind Kakerlakenschwärme«, erklärte Adam. »Sie bewegen sich vertikal, steigen aus den Tiefen der Abzugskanäle in die Häuser, kommen über Abflussrohre und Müllschlucker in die Wohnungen egal welcher Häuser. Sie sind überall. Die
cafards
sind die wahren Botschafter der Unterwelt.«
    Nicht einmal Lady Mina empfand die Kakerlakenschwärme als angenehm.
    Es sind ihrer so viele
, bemerkte sie.
Viel mehr als in London. Und sie sind größer als die Kakerlaken in der uralten Metropole.
    »Was hat sie gesagt?«
    Emily übersetzte: »Sie mag die Kakerlaken nicht.«
    »Kann ich verstehen.«
    Sie gingen weiter.
    Über Brücken aus Stahl und breite Gehwege, die zu beiden Seiten der Kanäle, die nur schmale Rinnsale waren, verliefen.
    »Es ist so leer hier unten«, bemerkte Emily.
    »Hast du die Warnung gesehen?«
    Emily hatte das seltsame Symbol nicht vergessen, das an der Tür, die der Zugang zur
ténébreuse
gewesen war, geprangt hatte. Ein Halbkreis, flüchtig auf den schmutzigen Stahl der Feuerschutztür gepinselt, mit einer Farbe, die wie getrocknetes Blut ausgesehen hatte.
    »Niemand, der bei Verstand ist«, sagte Adam, »geht diesen Weg.«
    Genau das war es, was Emily in diesem Augenblick hatte hören wollen. »Ich bin begeistert.«
    Dann kamen sie in eine Gegend riesiger Höhlen, die entstanden waren, als man aus den Hügeln des Nordostens Gips herausgeholt hatte. Seit dem Mittelalter waren lange Stollen in die Erde unterhalb von Montmartre getrieben worden. Massige Gipsbrocken hatte man aus dem Felsen gebrochen oder gesprengt und in den Gipsöfen, von denen noch immer einige an ihren alten Plätzen zu finden waren, gebacken und zu Pulver gemahlen. Dabei waren gewaltige, nach oben spitz zulaufende Aushöhlungen von nahezu zwanzig bis dreißig Metern Höhe entstanden, die den Gipsbrüchen das Aussehen roh in den Berg gehauener gotischer Kathedralen gaben.
    Überall lagen gekrümmte und fremdartig geformte Skelette aus den frühen Erdzeitaltern herum. Verstreute Knochen von Vier- und Mehrfüßlern, von großen Vögeln, riesenhaften Krokodilen und mächtigen Schildkröten, zahlreichen exotischen Fischarten und bedrohlich wirkenden Wesen, deren Existenz man der vom dunklen Aberglauben genährten Einbildungskraft vorangegangener Generationen zugeschrieben hatte.
    Kakerlaken flitzten über den Steinboden.
    Große Tiere waren es, die wenig Scheu vor Menschen hatten. Die neugierig die Ankömmlinge beobachteten. Lange Fühler ertasteten die Schwingungen, die jede Bewegung in der Luft verursachte. Vielgliedriges Geraschel war aus manchen dunklen Ecken zu hören.
    »Keine angenehme Gegend.«
    Dem schließe ich

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